Heft 
(1892) 70
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Deutsche Rundschau.

Holländer haben ein Sprichwort: ,Aergere Dich nicht, wundere Dich bloß? Und auch das werd' ich mir schließlich noch abgewöhnen."

Er sprach noch so weiter in sich hinein, abwechselnd die Menschen und die Verhältnisse verklagend, bis er mit einem Mal all' seinen Unmuth gegen sich selber richtete:Thorheit. Die Menschen, die Verhältnisse, das Alles ist es nicht; nein, nein. Andere haben"*mkch eine auf ihr Hausregiment eifersüchtige Mama und thun doch, was sie wollen; es liegt an mir.Uluelr, cisar Usopolch tlmt's it," das hat mir der gute Nelson noch gestern Abend zum Abschied gesagt, und er hat ganz Recht. Da liegt es; nirgend anders. Mir fehlt es an Energie und Muth, und das Aufbäumen Hab' ich nun schon gewiß nicht gelernt."

Er blickte, während er so sprach, vor sich hin, knipste mit seiner Reitgerte kleine Kiesstücke fort und malte Buchstaben in den srischgestreuten Sand. Und als er nach einer Weile wieder ausblickte, sah er zahlreiche Boote, die vom Stralauer User her herüber kamen, und dazwischen einen mit großem Segel flußabwärts fahrenden Spreekahn. Wie sehnsüchtig richtete sich sein Blick darauf.

Ach, ich muß aus diesem elenden Zustande heraus, und wenn es wahr ist, daß einem die Liebe Muth und Entschlossenheit gibt, so muß noch Alles gut werden. Und nicht bloß gut, es muß mir auch leicht werden und mich gradezu zwingen und drängen, den Kampf aufzunehmen und ihnen Allen zu zeigen, und der Mama voran, daß sie mich denn doch verkannt und unterschätzt haben. Und wenn ich in Unentschlossenheit zurückfalle, was Gott verhüte, so wird sie mir die nöthige Kraft geben. Denn sie hat all' das, was mir fehlt, und weiß Alles und kann Alles. Aber bin ich ihrer sicher? Da steh' ich wieder vor der Haupt­frage. Mitunter ist es mir freilich, als kümmere sie sich um mich, und als spräche sie eigentlich nur zu mir, wenn sie zu Anderen spricht. So war es noch gestern Abend wieder, und ich sah auch, wie Marcell sich verfärbte, weil er eifer­süchtig war. Etwas Anderes konnte es nicht sein. Und das Alles . . ."

Er unterbrach sich, weil eben jetzt die sich um ihn her sammelnden Sperlinge mit jedem Augenblicke zudringlicher wurden. Einige kamen bis auf den Tisch und mahnten ihn durch Picken und dreistes Ansehen, daß er ihnen noch immer ihr Frühstück schulde. Lächelnd zerbrach er ein Biscuit und warf ihnen die Stücke hin, mit denen zunächst die Sieger und, alsbald auch ihnen folgend, die anderen in die Lindenbäume zurückflogen. Aber kaum daß die Störenfriede fort waren, so waren für ihn auch die alten Betrachtungen wieder da.Ja, das mit Marcell, das darf ich mir zum Guten deuten und manches Andere noch. Aber es kann auch Alles bloß Spiel und Laune gewesen sein. Corinna nimmt nichts ernsthaft und will eigentlich immer nur glänzen und die Bewunderung oder das Verwundertsein ihrer Zuhörer aus sich ziehen. Und wenn ich mir diesen ihren Charakter überlege, so muß ich an die Möglichkeit denken, daß ich schließlich auch noch heimgeschickt und ausgelacht werde. Das ist hart. Und doch muß ich es wagen . . . Wenn ich nur wen hätte, dem ich mich anvertrauen könnte, der mir riethe. Leider Hab' ich Niemanden, keinen Freund; dafür hat Mama auch ge­sorgt, und so muß ich mir, ohne Rath und Beistand, allerpersönlichst ein dop­peltesJa" holen. Erst bei Corinna. Und wenn ich dies ersteJa" habe, so