Heft 
(1892) 70
Seite
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Der Universitätsunterricht und die Astronomie.

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die umfassenden Naturwissenschaften, und die Astronomie ist eigentlich nur Anwendung der Physik und Chemie aus die Erscheinungen des Himmelsraumes, Physik hierbei im weitesten Sinne genommen, also auch die Mechanik der Bewegungen nach dem Anziehungsgesetze umfassend, welches ja auch große Gruppen irdischer Erscheinungen regiert.

Auf die Astronomie würden dann die Geodäsie und physikalische Geographie, die Geophysik einschließlich der Meteorologie, die Geologie und Mineralogie, endlich die Botanik und Zoologie folgen.

Sicherlich würde auch eine solche Anordnung manchen Einwürfen ausgesetzt sein, und es dürste überhaupt rathsam sein, Aenderungen solcher Art mit großer Vorsicht und vielleicht erst dann vorzunehmen, Wenn dieselben durch zahlreiche Stimmen aus den verschiedenen wissenschaftlichen Gebieten anhaltend gefordert worden sind, und auch erst in solchen Zeitpunkten, in denen zugleich andere Klärungen oder Umgestaltungen erfolgt oder angezeigt sind.

Die Astronomie selber hat keinen irgendwie drängenden Anlaß, eine Ver­änderung der jetzigen Anordnung zu wünschen, welche unter Anderem auch den Vortheil bietet, daß die in ihrem Lehrplan unentbehrliche Fehlertheorie, welche eine rein mathematische Disciplin ist, sowie gewisse besondere Capitel rechnerisch- mathematischen Charakters von vorzugsweise astronomischer Anwendung jetzt in naher Folge den mathematischen Vorlesungen angereiht sind.

Aber auch eine andere noch wichtigere Bedeutung könnte dauernd die nähere Anknüpfung der astronomischen an die Ausführung der mathematischen Vor­lesungen haben. Den kritischen Gesichtspunkten, die gegen jede Art von Aus­scheidung der Astronomie aus dem Gebiete der Naturwissenschaften und gegen jede in methodischer Hinsicht exceptionelle Stellung der Astronomie innerhalb der Naturwissenschaften, als gegen eine willkürliche und eingebildete, durch die Ent­wicklung des Naturerkennens nicht länger gerechtfertigte Trübung des Sach­verhaltes sprechen, steht eine Erwägung gegenüber, welche sich zwanglos aus meinen vorangehenden Darlegungen über das Entstehen jener Ausnahmestellung ergibt.

Die Festhaltung einer besonders engen Verbindung der Astronomie mit der Mathematik im Lehrplan der Universitäten ist aus eminent pädagogischen Rück­sichten geboten. Für die Ausbildung der mathematischen Lehrer an den höheren Schulen ist es von hoher Wichtigkeit, daß sie einen gewissen Grad astronomischer Orientirung als untrennbar zu ihrem mathematischen Universitätsstudium gehörig ansehen. Gewiß kann das Studium der mathematischen Physik und insbesondere auch die Beschäftigung mit der Experimentalphysik ihnen selber mindestens die­selbe Belebung und Ergänzung des rein mathematischen Studiums gewähren als die Astronomie, aber für die jungen Seelen, auf welche der mathematische Lehrer in den höheren Schulen wirken soll, und die ihm meist so spröde gegen­überstehen, ist und bleibt das Gebiet der Himmelserscheinungen, ganz im Sinne des soeben dargelegten Eindrucks, welchen die junge Menschheit von den Himmels­erscheinungen hatte, eine Idealwelt, die sie anzieht und entzückt.

Es ist damit vielleicht ähnlich bestellt, wie mit der Wiederholung gewisser Entwicklungsstadien der gesummten Lebewelt in den Entwicklungsstufen des Individuums.