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Deutsche Rundschau.
So War der Fürst geartet, den ein Act unerhörter Willkür seiner angestammten Krone beraubte und in die Verbannung trieb, der es blutenden Herzens geschehen lassen mußte, daß sein schönes Land der Schauplatz wilder Verheerungen und unsäglicher Greuel wurde, der — was vielleicht das Schwerste war — nach all' der erlittenen Unbill noch gezwungen wurde, den Schutz des übermüthigen Siegers anzurufen und jahrelang zu ertragen. Wohl mochte es in dieser Zeit der Noth und der Demüthigung Trost gewähren, daß die Mecklenburger treu zu ihrem Fürsten standen, doch mit Geduld und Entsagung allein waren die Schwierigkeiten der Lage nicht zu überwinden. Man bedurfte auch der That- kraft, Umsicht und Gewandtheit, um in dem unnatürlichen Verhältniß, welches die Gewaltherrschaft des Imperators geschaffen, das Gefühl der Würde nicht zu verlieren und die Interessen der unterdrückten Völkerschaften, wo es nur irgend anging, zu vertreten. Auch in Mecklenburg hat es damals an Männern nicht gefehlt, welche patriotische Hingebung mit staatsmännischer Klugheit zu verbinden wußten, und deren umsichtige Dienste noch schwerere Bedrückungen von dem Lande abzuwenden vermochten, als ohnehin schon darauf lasteten. Unter diesen Männern nimmt des Herzogs ältester Sohn, der Erbprinz Friedrich Ludwig, einen hervorragenden Platz ein, und seinen bisher wenig gekannten Verdiensten sind die nachstehenden Blätter vorzugsweise gewidmet. Das dazu benutzte Material ist zum Theil dem großherzoglichen Geheimen- und Hauptarchiv zu Schwerin, zum Theil dem brieflichen Nachlaß verschiedener Mitglieder des dortigen Fürstenhauses entnommen. Ehe wir an die Katastrophe des Jahres 1806, als den Ausgangspunkt dieser Darstellung, herantreten, möchten wir noch einige, das Verständniß des Nachfolgenden erleichternde Personalnotizen voranschicken.
Herzog Friedrich Franz war seit 1775 vermählt mit einer Prinzessin von Sachsen-Gotha-Roda. Sie hatte ihrem Gemahl fünf Kinder geschenkt, vier Söhne: die Prinzen Friedrich Ludwig, Gustav, Karl und Adolf, und eine Tochter: Prinzessin Charlotte. Letztere war seit dem 11. Juni 1806 mit dem Prinzen Christian von Dänemark vermählt, demselben, der später 1839 als Christian VIII. den dänischen Königsthron bestieg. Von den jüngeren Söhnen des Herzogs stand Prinz Karl in der russischen Armee; die Prinzen Gustav und Adolf lebten am Hof ihres Vaters. Obwohl Schwerin die Hauptstadt des Landes und Sitz der Regierung war, bevorzugte der Herzog als Wohnsitz die zweite Residenz Ludwigslust, wo ein um die Mitte des vorigen Jahrhunderts erbautes, prächtiges Schloß einen behaglichen Aufenthalt und die geeigneten Räume zur Entfaltung fürstlichen Gepränges gewährte. Die Vorliebe früherer Generationen für vornehm abgeschlossene Landsitze hatte diese zweite Residenz ins Leben gerufen, und die wildreichen Forsten, welche den Ort umgaben, machten die Bevorzugung dieses vor den anderen meistens ziemlich baufälligen Schlössern auch sonst erklärlich. Friedrich Franz ging daher nur selten nach Schwerin. Die Sommermonate aber brachte er regelmäßig in dem von ihm begründeten Seebade Doberan zu. Welches sich unter seiner steten Fürsorge allmälig zum Weltbade und zum Vereinigungspunkt fürstlicher und vornehmer Reisenden entwickelte.
Der Erbprinz Friedrich Ludwig war am 13. Juni 1778 geboren. Er hatte die in fürstlichen Kreisen damals übliche Hofmeistererziehung genossen, dann