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Deutsche Rundschau.
Wuchs dem Lande aus diesen freilich zwangsweise geforderten Leistungen ein directer Schade nicht. Aber mit dem Tage von Jena zog auch für Mecklenburg ein drohendes Unwetter heraus. Blücher's Rückzug auf Lübeck lenkte ungeheure Heeresmassen seiner Verfolger nach Norden ab. Die Corps von Soult, Murat und Ponte-Corvo drangen in Mecklenburg ein. Das ganze Land war von den Franzosen überschwemmt, die, an 80000 Mann stark, hier wie in Feindesland hausten. Am 6. November 1806 fiel Lübeck. Blücher kapitulirte, indem er seiner Unterschrift zu dem Vertrage noch die Worte hinzusetzte: „Ich capitulire, weil ich weder Munition noch Brot, noch Fourage habe." Vom 9. bis 22. November nahmen die drei französischen Heere ihren Rückmarsch durch ganz Mecklenburg nach Stettin und Berlin. Die Verpflegung der Truppen hatte bei den zahlreichen Gefechten und Eilmärschen der letzten Wochen fast ausschließlich im Wege gewaltsamer Requisitionen stattgefunden. Mißhandlung der Bevölkerung, Ausschreitungen jeder Art, Plünderung und muthwillige Zerstörung waren davon unzertrennlich gewesen, und obwohl Marschall Soult durch einen Armeebefehl vom 11. November die Schonung der Landbevölkerung auf das Nachdrücklichste anbefahl, war letztere durch die verübten Grausamkeiten schon so erbittert, daß Versprengte und Nachzügler vieler Orten heimlich erschlagen wurden.
Der Herzog und sein Hof waren in Ludwigslust unbehelligt geblieben. Am 10. November begab sich der Erbprinz im Auftrag seines Vaters nach Berlin, um bei den dortigen kaiserlichen Armeebehörden wegen Verletzung der Neutralität Protest zu erheben und für die gewaltsamen Requisitionen Entschädigung zu verlangen. Es war dies die erste der vier officiellen Sendungen, die er in dem Zeitraum von zwei Jahren successive übernahm. Nähere Berichte liegen darüber nicht vor. Wir wissen nicht, welche Schritte er in Berlin that; jedenfalls blieben sie erfolglos- Die Occupation Mecklenburgs war bereits vom Imperator- beschlossen. Um die Auffindung eines Vorwands war die kaiserliche Kanzlei nicht verlegen.
Am 27. November 1806 traf in Schwerin eine Note des in Hamburg residirenden und bei den „niedersächsischen Staaten" beglaubigten französischen Gesandten von Bourienne ein, in welcher dieser dem herzoglichen Ministerium ankündigte, daß Frankreich das Herzogthum nicht länger als neutral betrachten könne, „da dasselbe den russischen Truppen nicht nur den Durchmarsch und einen langen Aufenthalt im Lande gestattet, sondern ihnen auch Unterstützung gewährt habe, was als eine natürliche Folge des engen Bündnisses zu betrachten sei, welches Mecklenburg mit Rußland verknüpfe. Ueberdies müßten die mecklenburgischen Herzöge, da sie militärische Grade in der russischen Armee bekleideten, als unter den Fahnen des hauptsächlichsten Gegners Frankreichs stehend betrachtet werden. Andrerseits nehme Rußland aus verschiedenen Gründen ein besonders hohes Interesse an Mecklenburg, und da das Petersburger Cabinet gegen alles Recht und ohne jeden Anlaß durch Besitznahme der Moldau und Walachei die Unabhängigkeit der ottomanischen Pforte verletzt habe, so sei jede Maßregel, welche dahin ziele, Compensationsobjecte in Besitz zu nehmen, eine solche, welche