Heft 
(1892) 70
Seite
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Deutsche Rundschau.

Alles dies geschah mit größter Schnelligkeit und bewies die Routine der franzö­sischen Beamten. Am 9. December, also kaum acht Tage nach dem Einrücken, war die ganze Armatur Mecklenburgs fortgeschafft, und das Land von allen militärischen Hülfsmitteln entblößt. Nur in den Städten war für die Bürger­wehr, welche den Nachtdienst zu versehen hatte, eine kleine Anzahl Gewehre zurückgelassen (in Schwerin 86). Geheimrath von Plessen berichtete am 9. De­cember an den Herzog, es sei nicht möglich, festzustellen, ob der Inhalt der Zeughäuser und Depots mitgenommen, verschenkt oder verkauft worden.

Der Herzog vermochte immer noch nicht an die Thatsache zu glauben, daß sein Land als feindliches Gebiet behandelt werde. Er war sich bewußt, keinen Anlaß zu diesem Friedensbruch gegeben zu haben, und hoffte, daß eine Auf­klärung in dieser Hinsicht genügen würde, um Napoleon's Entschließungen zu ändern. Zu diesem Behuf entsandte er am 4. December den Oberhofmeister von Lützow und den Geheimrath von Müller in das kaiserliche Hauptquartier nach Posen, beide mit ausreichenden Vollmachten und mit dem Auftrag versehen, die Zurückziehung der französischen Besatzung zu erwirken. Die Gesandten nahmen ein Schreiben des Herzogs an den Kaiser Napoleon und ein solches an den Minister des Auswärtigen, Fürsten von Talleyrand, mit. In diesen von Plessen entworfenen, kurz und würdig gehaltenen Schriftstücken bat der Herzog, den Herrn von Lützow zu empfangen und dessen wahrheitsgetreuem Vortrag Glauben zu schenken. Wie weit des Herzogs Illusionen damals noch gingen, beweist die geheime Instruction, welche Lützow mitnahm. Darin war sogar von Geld- oder Gebietsentschädigungen die Rede, welche er für das Einrücken der französischen Truppen und die weggeführten Depots fordern solle. Fände er das Terrain für solche Ansprüche nicht günstig, so solle er Vorbehalte machen, gegen jeden Gebietsaustausch entschieden protestiren, falls ein solcher aber un­abwendbar, nur solche Vorschläge rskerenäum nehmen, die auch für die Zu­kunft einen gesicherten Besitzstand gewährleisteten.

Die Enttäuschung, welche den armen Herzog treffen sollte, war eine sehr harte. Seine Abgesandten wurden gar nicht angehört oder nur vorgelassen. Lützow, der auch einen Brief an den Kaiser Alexander bei sich hatte, um dessen Intervention anzurufen, erlangte nur mit Mühe die Erlaubniß, die Vorposten zu passiren, und am 22. erhielt der Herzog von dem General Laval die nach­stehende. in der unverbindlichsten Form abgesaßte Ausweisungsordre:

Herr Herzog! Ich habe die Ehre. Ihnen mitzutheilen, daß in Folge eines durch den Marschall Mortier mir zugegangenen Befehls Sr. Majestät Sie und Ihre ganze Familie Mecklen­burg zu verlassen haben. Ich kann Ihren hiesigen Aufenthalt nur bis zum Donnerstag den 26. d. M. gestatten. Ich ersuche Sie, mir das Land zu bezeichnen, in welches Sie und Ihre Familie sich zu begeben wünschen, um Ihnen dementsprechend die nöthigen Pässe zu geben.

Herr Herzog, ich habe die Ehre mit vollkommener Hochachtung zu sein

der Generalgouverneur von Mecklenburg.

Laval.

Der Herzog befand sich in Ludwigsluft. Ein französischer Offizier über­brachte dies bündige Decret. Ein ähnliches Schreiben erhielt die in Schwerin residirende Herzogin Louise. Dieselbe begab sich sogleich nach Ludwigslust, um das fernere Schicksal ihres Gatten zu theilen, nachdem sie zuvor in einem