Heft 
(1892) 70
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Ein Thronerbe als Diplomat.

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Schreiben an den Generalgouverneur ihre in Schwerin zurückbleibende Schwieger­mutter, die sünfundsiebzigjährige Herzogin Charlotte Sophie, einer schonungs­vollen Behandlung empfohlen hatte. Die Herzogin-Mutter bewohnte mit ihrer Schwägerin, der gleichfalls hochbetagten Prinzessin Ulrike, das Neustädtische Palais. Die beiden Fürstinnen hatten dem Gouverneur erklärt, nicht reisen zu können, und blieben auch während der französischen Occupation unbehelligt.

Herzog Friedrich Franz beantwortete die Zuschrift des Generals zunächst durch eine kurze Empfangsbestätigung, sandte aber gleichzeitig den Kammerherrn von Mecklenburg zu ihm, um seinen Rath über diejenigen Schritte einzuholen, welche eine Aenderung des kaiserlichen Befehls etwa noch herbeiführen könnten. General Laval zeigte sich theilnehmend, konnte aber natürlich nur auf die ihm zugegangene Ordre Hinweisen. Ein directer Appell an den Kaiser schien ihm das einzige Mittel in dieser bedrängten Lage zu sein. Der Herzog setzte noch am folgenden Tage ein solches Schreiben an Napoleon auf. Er erklärte darin, daß er sich dem an ihn ergangenen Befehl unterwerfe, doch rufe er den Ge­rechtigkeitssinn des Siegers an, der nicht verkennen werde, daß sein bisheriges Verbleiben in dem occupirten Lande ein Act des Vertrauens und der Friedens­liebe gewesen. Sollte er dennoch gezwungen werden, sein geliebtes Land zu ver­lassen, so bitte er, ihm und seiner Familie wenigstens die nöthigsten Subsistenz­mittel zu gewähren, deren er schon jetzt ermangele, da sämmtliche Kassen von den französischen Behörden beschlagnahmt seien.Möge es mir erlaubt sein, Sire," so schloß das Schreiben,mein Land Ihrer besonderen Fürsorge zu em­pfehlen, ebenso meine getreuen Diener aller Klassen, welche sich sonst im tiefsten Elend befinden würden. Ew. kaiserl. und königl. Majestät würden meine Leiden mildern, wenn Sie Sich ihrer annähmen."

Mit diesem Brief sandte er seinen dritten Sohn, den damals sünsund- zwanzigjährigen Prinzen Gustav, an den Marschall Mortier, der sein Haupt­quartier in Anklam hatte. Kammerherr von Mecklenburg begleitete den Prinzen. Letzterer berichtete am 26 . December aus Anklam:

Gnädigster Vater! Unsere Reise ist nicht ganz fruchtlos gewesen, und wir schmeicheln uns Ihrer gnädigen Zufriedenheit. Nach einer höchst langweiligen Fahrt sind wir heute Morgen um sieben Uhr erst hier angekommen und hatten um elf Uhr schon beim Marschall Mortier die erbetene Audienz, bei welcher wir sehr gut ausge­nommen wurden, und der Marschall uns des Antheils versicherte, den er an unserer unglücklichen Lage nehme. Er würde gern Alles thun, was bei ihm stände, sie zu erleichtern, woher er auch gestattete, ihm Ihren Brief an Se. Majestät den Kaiser zu geben, dessen genaue Besorgung er über sich nehme. Auch hat er uns erlaubt, ihm ein kleines Memoire zu übergeben, worin wir ihm die hauptsächlichsten Stücke unserer Aufträge genauer detailliren, und welches ich ihm heute Mittag übergeben werde, wo wir bei ihm essen sollen. Er wird uns eine Ordre mitgeben an den Generalgouverneur oder sie ihm sonst bald zukommen lassen, daß wir ruhig in Ludwigslust bleiben können, bis Antwort vom Kaiser erfolgt. Doch da er nicht glaubt, die Erlaubniß für uns zu erhalten, daß wir in Ludwigslust aus immer bleiben können, auch wenn wir versprechen uns in nichts zu meliren, so räth er recht sehr, mit den Arrangements der Abreise fort zu fahren, damit wir nicht in Verlegenheit kommen, wenn er die erste kaiserliche Ordre erneuern müßte. Auf jeden Fall hat er uns noch die Versicherung gegeben, daß Großmama und Tante Ulrike in Schwerin bleiben

Deutsche Rundschau. XVIII, 5. 14