Heft 
(1892) 70
Seite
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Deutsche Rundschau.

Am Morgen seiner Abreise richtete Friedrich Franz noch an den Minister Grafen von Bassewitz das nachstehende Schreiben:

Ludwigslust, den 8. Januar 1807.

Mein lieber Gras! Da ich heute durch die Gewalt des Mächtigeren dem schrecklichen Augenblick entgegengehe, von Mutter, Anverwandten, von meinem ge­liebten Vaterlande und von meinen getreuen Dienern getrennt zu werden, so halte ich es für meine heiligste Pflicht, Ihnen als erstem Minister, Mein ganzes Land, ins­besondere Meine ganze Dienerschaft, vom Vornehmsten bis zum Geringsten, zur besten Fürsorge zu empfehlen. Die Mehrsten werden durch meine Entfernung an den Bettel­stab gebracht. Thun Sie, lieber Graf, was in Ihren Kräften steht, die Leute aus dem Unglück zu retten. Stellen Sie dem Gouverneur und dem Intendanten die letzten Wünsche eines Tiefbekümmerten vor. Die Verwaltung und Leitung der Regierung Meines unglücklichen Landes empfehle ich Ihnen auf das Beste. Fahren Sie fort, Ihrem Vaterlande nützlich zu fein, wie Sie es immer gewesen, so werden Sie den Segen des Höchsten einernten! Nun, bester Graf, empfiehlt sich Ihr schuldloser, unglück­licher Herr Ihrem besten Andenken. Suchen Sie, soviel Sie können, für Mich zu sorgen nach aller Art; Gott wird der reiche Vergelter aller Ihrer Bemühungen sein. Er segne Sie, er segne alle Meine getreuen Diener und Unterthanen! Mein Herz bricht vor Schmerz, daß ich ein Volk verlassen soll, was Mich liebt; allein Gott will es, sein Wille geschehe!

Ich bin mit der aufrichtigsten Werthschätzung Ihr getreuester Freund

Friedrich Franz."

Schweren Herzens bestieg der Herzog mit seiner Gemahlin den Reisewagen und verließ das Schloß seiner Väter, das er einundzwanzig Jahre als regierender Herr bewohnt. In dem nachfolgenden Wagen befanden sich der Erbprinz mit seinen Kindern und deren Hofmeisterin, Fräulein von Mecklenburg, Prinz Gustav, die Herren des Gefolges und die Dienerschaft. Die Fahrt ging aus der sandigen Landstraße über Redefin und Boizenburg nach Hamburg. Chausseen gab es da­mals in Mecklenburg noch nicht. Die erste Kunststraße dieser Art, welche, von Berlin nach Hamburg führend, einen Theil des Landes durchschnitt, wurde erst 1826 fertig gestellt. Am 10. Januar Abends erreichte die kleine Reisegesellschaft Altona, wo zunächst in einem Gasthos Quartier genommen, und einige Tage später ein an der Palmaille gelegenes, dem Herrn John Blacker gehöriges Haus bezogen wurde. Dasselbe war vollständig möblirt. Der auf sechs Monate ver­einbarte Miethspreis betrug viertausend Mark. Die herzogliche Familie lebte hier in strengster Zurückgezogenheit. Die Lebensweise war äußerst einfach. Aber diese Entbehrungen waren leicht zu ertragen, gedachte man der materiellen Noth- lage im Vaterlande, die immer drückender wurde.

Das französische Gouvernement hatte, wie dies meistens bei der Occupation fremden Staatsgebietes geschah, die herzoglichen und Landesbehörden bei Bestand gelassen, mischte sich auch nicht in die inneren Angelegenheiten der Verwaltung. Aber es störte indirect deren Organismus durch unausgesetzte Eingriffe in das Finanzwesen, durch Einforderung von Kontributionen, Beschlagnahme der Kassen­bestände und Ausschreibung von Lieferungen. Zu Ende Januar berichtete Graf Bassewitz an den Herzog, mit dem er in fortgesetztem Briefwechsel stand, daß kein Geld mehr vorhanden sei, um diese Lieferungen bar zu bezahlen, und daß man sie jetzt mit Gewalt eintreiben müsse. Auf dem platten Lande zog man dm Gutsherren und Bauern Pferde und Vieh aus dem Stalle; die dafür aus-