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Deutsche Rundschau.
der französischen Regierung verwenden könnte, eine solche Demarche meinerseits nicht eher dazu beitragen würde, das Ungemach, das auf Ihnen lastet, zu vermehren, anstatt Ihre und Ihrer Unterthanen Lage zu verbessern. Es wird mir demnach erst unter günstigeren Verhältnissen möglich sein, mich mit einem Gegenstand zu beschäftigen, an dem ich so lebhaften Antheil nehme, und Ew. Durchlaucht mögen überzeugt sein, daß ich die Gelegenheit dazu mit Eifer ergreifen werde.
Ich bin, mein Herr Vetter, mit dem Gefühl der vollkommensten Hochachtung Ew. Durchlaucht sehr ergebener Vetter Alexander."
Mehr war im Grunde nicht zu erwarten gewesen, und eine Intervention bei Napoleon zu einer Zeit, wo die russischen und französischen Streitkräste sich gegenüber standen, natürlich unausführbar. Aber die guten Absichten Alexander's blieben für die Zukunft immerhin werthvoll. Ein zweites, sehr warm gehaltenes Schreiben an seinen Schwager, den Erbprinzen Friedrich Ludwig, gab der Zar am 16. März dem nach Altona zurückkehrenden Herrn von Lützow mit.
„Ich schmeichle mir," hieß es darin, „daß Sie mich genugsam kennen, um die Gewißheit zu haben, daß ich nichts versäumen werde, um, sobald es mir möglich ist, dafür zu wirken, daß die Unbill, deren Opfer Sie sind, wieder gut gemacht werde."
In zarter Weise besagte ein Postscriptum:
„Ich füge hier zur Erleichterung Ihrer gegenwärtigen Lage einen Kreditbrief bei, den ich Sie bitte, in Berücksichtigung der wahren Freundschaft, mit welcher er ange- boten wird, anzunehmen und zu verwerthen."
Die Höhe der Summe ist aus den Acten nicht ersichtlich, doch muß sie beträchtlich gewesen sein, denn der Prinz äußerte in seinem Dankschreiben vom 16. Mai:
„Die Hülse, Sire, welche Sie mir gewährt haben, hat mich in den Stand gesetzt, die Thränen vieler Familien zu trocknen, welche mich als einzigste Stütze haben und die sonst dem bittersten Elend preisgegeben wären. Ew. Majestät hat mir die Ruhe des Herzens wiedergegeben! Sie hat so viele Gemüther von Verzweiflung gerettet , und die Segenswünsche der Getrösteten werden ohne Zweifel einigen Werth haben für ein Herz, das edel und mitleidsvoll ist wie das Ihrige!"
Kaiser Alexander hegte für seinen Schwager eine aufrichtige Freundschaft. Beide verband die liebevolle Erinnerung an die in ihrer Jugendblüthe dahingeraffte Helene Paulowna. Alexander hatte durch Herrn von Lützow dem Erbprinzen anbieten lassen, mit feinen beiden Kindern, Paul und Marie, nach Petersburg zu kommen, wo die Kaiserin-Mutter bereit war, die Enkelkinder unter ihre Obhut zu nehmen. Aber Friedrich Ludwig konnte sich nicht entschließen, seine Eltern in ihrem traurigen Exil zu verlassen. Er bat den Kaiser, ihm zu erlauben, seinen Besuch für einen gelegeneren Zeitpunkt zu vertagen, und dieser Plan wurde auch, wie wir sehen werden, bald darauf ausgeführt.
Inzwischen hatten die mecklenburgischen Stände kurz nach der Ausweisung des Herzogs eine Deputation an den Kaiser Napoleon geschickt, welche dem Gewalthaber eine Petition um Rückberufung des verbannten Landesherrn vorlegen sollte. An der Spitze dieser Deputation, welche ihre Reise von Rostock aus am 3. Februar antrat, stand der Oberhofmarschall und Geheimrath von Bülow- Düssin. Die vom engeren Ausschuß der Ritter- und Landschaft mitgegebene Bittschrift lautete wie folgt: