Ein Thronerbe als Diplomat.
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Wein. Bei den Lieferungsverträgen wurden von Seiten der französischen Unterbeamten häufig insgeheim Zwangscontracte oder sogenannte mureüss ä'urMnes abgeschlossen, welche selbst vom französischen Gouvernement nicht gebilligt worden wären, hätte dieses davon Kenutniß gehabt. Das Land war aufs Aeußerste erschöpft, aber auch die Stunde der Erlösung nahe.
Am 14. Juni endete mit der russischen Niederlage bei Friedland der Krieg. Kaiser Alexanders Muth brach nach diesem Schlage plötzlich zusammen, obwohl sein Land vom Feinde noch unberührt, seine militärische Macht keineswegs erschüttert war. Aber Großfürst Constantin und die ihm Verbündete Hofclique drängten zum Frieden. Der Zar bot dem Sieger einen Waffenstillstand an, den dieser bereitwilligst annahm. Zu den Forderungen, welche Alexander für den Friedensabschluß stellte, gehörte die Wiedereinsetzung des Schweriner Fürstenhauses in seine Rechte. Napoleon ging darauf ein. Die erste Nachricht dieser unerwartet günstigen Wendung brachte ein Schreiben des eommissaira oräonnateur en eüet Morand aus Pasewalk vom 17. Juli, welches in Schwerin am 20. eintraf und dem dortigen Gouvernement anzeigte, daß das herzogliche Landesgebiet fortan als neutral zu betrachten sei und sich in dieser Rücksicht bei den etwa noch nöthigen Erfordernissen der französischen Truppen einer angemessenen und schonenden Behandlung zu erfreuen haben werde. Man solle sich daher des Ausdrucks „Requisition" hinfort nicht mehr bedienen, auch seien alle „Vexationen und ungehörigen Forderungen strengstens zu vermeiden". Die Freude über diese Nachricht wurde zwar gleich wieder zerstört durch die Weigerung des Generals Laval, diesem Befehl nachzukommen. Derselbe erklärte dem Grafen Bassewitz, es müsse hier ein Mißverständniß vorliegen. Das Schreiben sei wahrscheinlich für Strelitz bestimmt und nur irrthümlich nach Schwerin gelangt. Die Vergünstigung beziehe sich demnach aus den Strelitzer, nicht aus den Schweriner Landestheil. Zu dieser befremdlichen Auslegung war der General vermuthlich durch die Annahme bestimmt, daß bei den Waffenstillstandsverhandlungen, von denen das Gerücht bereits nach Mecklenburg gedrungen war, die nahe Verwandtschaft zwischen dem preußischen und Strelitzer Fürstenhause eine Begünstigung des letzteren bewirkt habe. Auch Graf Bassewitz fühlte sich beunruhigt. Er bestritt zwar entschieden die Möglichkeit eines Jrrthums bei einem so wichtigen Act — das Briefcouvert trug deutlich die Aufschrift: Luerin — doch bestand General Laval auf seiner Weigerung. Alle Zweifel schwanden indessen, als am 5. Juli in Altona ein Courier eintraf, der dem Erbprinzen nachstehendes Schreiben des Kaisers Alexander überbrachte:
„Tilsit, den 27. Juni 1807.
Mein lieber Bruder! — Bei der erfreulichen Annäherung, welche sich soeben zwischen dem Kaiser der Franzosen und mir vollzogen hat, war einer der ersten Gegenstände meiner Fürsorge derjenige, mich mit den Interessen Ihres Hauses zu beschäftigen. Meine Wünsche dieserhalb sind in Erfüllung gegangen, und ich beeile mich, Ihnen die Duplieate der Ordres zu übersenden, welche an den in Mecklenburg stehenden, französischen Befehlshaber ergangen sind. Bitte, übergeben Sie dieselben dem Herzog, Ihrem Vater, damit sie durch ihn an ihre Bestimmung gelangen. Ich bin hocherfreut Ihnen nützlich gewesen sein und Ihnen einen neuen Beweis haben geben zu können von der aufrichtigen Freundschaft, die ich Ihnen persönlich entgegenbringe.
Ganz der Ihrige! Alexander."