Heft 
(1892) 70
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Ein Thronerbe als Diplomat.

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die Empfindungen zu schildern, welche dieser Augenblick in mir hervorries. Es ist besser zu schweigen, um nicht weitläufig zu werden. Ueberhaupt dars ich nur wenige Dinge der Feder anvertrauen, mündlich werde ich eine Relation machen, der ich unterthänigst bitte, vollen Glauben zu schenken, weil sonst leicht mein Vortrag Ihnen sabelhast scheinen könnte. Es ist gewiß, daß russischerseits blindlings alle Forderungen Frank­reichs zugestanden worden sind, mehr als wahrscheinlich, daß General Bennigsen ab­sichtlich stets nach den größten Vortheilen den Sachen ein ungünstiges Ende gegeben hat, um den Kaiser zum Frieden zu zwingen. Unerhörte Dinge sind vorgegangen, gebe Gott, daß sie in ihren Folgen nicht noch sichtbarer werden mögen. Der Groß­fürst Konstantin hat an allem Vorgesallenen große Schuld!

Die Conditionen des Friedens mit Rußland sind noch nicht bekannt, indem dem preußischen Hofe keine Communication davon gemacht worden ist, indessen find der Kaiser Alexander und der König von Preußen persönlich immer die besten Freunde. Der preußische Frieden ist grenzenlos schrecklich. Hier flüchtig einige Worte darüber." (Es folgt eine Darstellung der preußischen Gebietsabtretungen, der Gründung des Königreichs Westfalen u. f. w.)Der Kurfürst von Hessen erhält nichts wieder von seinen Staaten, auf Lebenslang eine Pension von 200 000 Gulden. Gleiches Schicksal erleben der Herzog von Braunschweig und der Prinz von Oranien; Beide erhalten lebenslängliche Pension für sich und ihre Gemahlinnen, ersterer 100 000 Gulden, letzterer 60 000 Gulden. Dieses hat man ausdrücklich in den preußischen Frieden hineingesetzt, versteht sich französischerseits, und noch als eine Gnade angerechnet.

Eine ungeheure Kontribution von über 100 Millionen soll der übrig gebliebene preußische Staat noch entrichten, so lange bleiben die Truppen von Frankreich im Lande. Man sendet heute den General Knobelsdorf nach Dresden zum Kaiser Napoleon, um eine Abminderung der Kontribution zu erwirken.

Man sagt, daß Rußland die Moldau und Walachei erhält. Das dritte und vierte Korps der großen Armee unter den Befehlen des Marfchalls Davoust und des Marschalls Soult bleiben im Herzogthum Warschau bis auf Weiteres stehen. In Stettin bleiben bis zur Beendigung der schwedischen Angelegenheit 6000 Mann Franzosen.

Der Rheinbund ist zum voraus sür alle Fürsten, die man noch darin aufnehmen wird, anerkannt. Nur bis an die Elbe soll derselbe gehen, über den Norden ist noch nichts definitiv beschlossen. Mit tiefer Rührung und Ehrfurcht stehe ich vor dem un­glücklichen König, wenn ich die seltene Standhaftigkeit bedenke, mit welcher er sein Elend erträgt. Mit Bewunderung und Dankbarkeit werden Sie, bester Vater, ihn mit mir verehren, wenn Sie von mir erfahren werden, und zwar auf meine Ehre: daß ihm der Kaiser Napoleon in demselben Augenblicke, da er uns einsetzte, Mecklen­burg mit den Worten angeboten hat, e'sst tout es gu'il Vous kaut, und der edle, unglückliche König schlug es rund aus!!! Wo ist ein Edelmuth, der diesem gleicht!!!

Der General Savary ist heute hier als Ambassadeur nach Petersburg durch- passirt. Morgen mit Tagesanbruch trete ich meine Reise dorthin auch an.

Mein Bruder Carl befindet sich, wie ich heute gehört habe, in Riga, um sich heilen zu lassen; seine Blessur ist nicht gefährlich, sondern nur leicht. Ich freue mich, ihn übermorgen zu sehen."

St. Petersburg, den 9./21. Julius, Abends. 1807.

Am 17. ll. früh Morgens verließ ich Memel und setzte ohne Aufenthalt meine Reife nach Riga fort. Unterwegs fuhr ich dem neuen französischen Ambassadeur, dem General Savary vorbei, welcher mit einer Suite von sechs Wagen reist. Alle seine Begleiter waren mit dem Kreuze der Ehrenlegion bezeichnet. Meine Hoffnung, in Riga meinen Bruder Carl zu finden, ward getäuscht; es war ein falsches Gerücht ge­wesen. Er befindet sich bei der Armee. Hingegen sah ich dort den Großfürsten Constantin, welcher mich mit vieler Freundschaft empfing. Wir fanden uns bei der