Heft 
(1892) 70
Seite
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Deutsche Rundschau.

Herzogin Alexander von Württemberg, meiner Tante" (einer geborenen Prinzessin von Sachsen-Saalfeld-Coburg).

Als ich gestern Abend in Narva ankam, sandte ich den Feldjäger Lieutenant Behrens zum voraus mit einem Briese an den Kaiser, in welchem ich ihn um Er- laubniß bat, nach Petersburg kommen zu dürfen, und Sr. Majestät meldete, daß ich seine Befehle in Strelna, der letzten Station, erwarten würde. Ich schrieb gleichfalls an die Kaiserin-Mutter und an den Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Herrn von Budberg. Der Feldjäger kam mir heute wieder nach Strelna entgegen und brachte einen überaus gnädigen Brief des Kaisers. Gegen zehn Uhr Abends kam ich hier an. Am Thore fand ich den Capitän der Preobraschenskh'schen Garde, Baron von Driesen, welcher mich im Namen des Kaisers empfing und ins Winterpalais be­gleitete, wo ich ein sehr schönes Appartement und ein ganz montirtes Haus Vorsand. Ich ward dorten von dem General-Adjutanten Fürsten Dolgorucky empfangen, welcher mir die gnädigsten Sachen im Namen des Kaisers ausrichtete und mir sagte, daß der Kaiser mich morgen Mittag um zwei Uhr sehen würde (derselbe bewohnt noch das Taurische Palais), daß ich mich hier wie zu Hause ansehen möchte, und daß Se. Majestät in Ermangelung eines Adjutanten, weil die seinigen sich größtentheils noch bei der Armee befänden, den obgedachten Herrn von Driesen zu meinem Dienst während der Zeit meines hiesigen Aufenthalts bestimmt habe.

Die Kaiserin-Mutter befindet sich schon in Pawlowsky. Noch heute Abend habe ich dorthin geschrieben, um sie zu bitten, mir den Tag zu bestimmen, an welchem ich ihr anfwarten darf. Der Minister Baron von Budberg ist noch nicht von der Armee zurückgekommen.

Der Kaiser hat gestern und ehegestern eine Reise nach Kronstadt gemacht, um die von der Armee dorthin eingeschifften Kranken und Blessirten zu besuchen. Se. Maje­stät sollen über den Mangel an Proviant sehr aufgebracht gewesen sein, ein gleiches wegen der unverzeihlich schlechten Verpflegung der Armeen, obgleich der Kaiser unend­liche Summen dazu hergegeben hat. Dieserhalb ist heute ein sehr strenger Ukas er­schienen, welcher der Gerechtigkeit und Billigkeit des Kaisers ganz angemessen ist. Allen bei dem Proviantwesen angestellten Personen ist die Uniform ausgezogen, und sind solche unter Kriegsrecht gesetzt. Dem General-Director Fürsten Wolkowsky ist sogar der Aufenthalt in Moskau und Petersburg versagt worden. Indessen sollen diejenigen Personen, welche sich werden rechtfertigen können, wieder angestellt werden. Dieser merkwürdige Ukas hat hier große Sensation gemacht. Auch ist dem General 6n allst Bennigsen das Kommando genommen und in dem nämlichen Ukas, dem General Buxhöwden das Obercommando ertheilt worden.

Nicht genug kann ich sagen, wie unendlich verschönert ich Petersburg gefunden habe. Es ist nicht möglich, sich etwas Prachtvolleres wie diese Stadt Zn denken.

Ich sage meinem gnädigsten Vater nichts von den verschiedenen Gefühlen, die heute meine Seele erfüllt haben. Sie werden sie sich leicht vorstellen können. Ein Rückblick aus alles dasjenige, was ich seit vier Jahren erlebt habe, wird dazu hin­länglich genügen."

St. Petersburg, den 10./22. Juli 1807.

Der Kaiser hatte besohlen, daß ich ihm heute Mittag um zwei Uhr aufwarten sollte. Statt dessen aber war er so gnädig, selbst zu mir zu kommen und über eine Stunde mit mir zuzubringen. Ich kann nicht genug rühmen, wie unendlich freundschaft­lich der Kaiser gegen mich war, gerade wie in alten Zeiten. Ich übergab Sr. Majestät Ihren Brief, theuerster Vater, und brauchte nur die Sprache des Herzens zu reden, um ihm unfern Dank und unsere Ergebenheit zu versichern. Der Kaiser er­widerte, wie es eine seiner ersten Beschäftigungen gewesen, sich unserer anznnehmen und auf die Herausgabe Mecklenburgs zu dringen, daß auch solches der französische Kaiser sogleich bewilligt und ihm die Ihnen übersandten, für das französische Gouvernement in Mecklenburg bestimmten Befehle selbst gebracht habe. Um nicht