Heft 
(1892) 70
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Ein Thronerbe als Diplomat.

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Schicksal mit dem der unglücklichen Häuser von Hessen, Braunschweig und Oranien vergleichen, so können wir Gott nicht genug danken.

Der Kaiser sprach mir noch viel über unsere stets bezeigte Festigkeit. Sicher hat dieses weise Betragen unsere Erhaltung motivirt, denn es ist weiter keinem Zweifel unterworfen, daß wir lediglich und allein dem russischen Kaiser dieselbe ver­danken. Ohne ihn würden wir bestimmt das Schicksal jener Fürsten getheilt haben.

Der Kaiser wiederholte mir, wie er glaube, daß wir dem Rheinbunde beitreten müßten, er uns daher riethe, alsdann zu erklären, daß wir dazu bereitwillig wären. Nais gus uou8 ääsirious ns 1'etrs pas senloment äs nom mais äs kalt, qus nous äsmanäions äone äs nou8 sn xrosursr 1s8 mo^sim 8'il tut xo88ib1s. Diese Wendung sei am besten, um zum gewünschten Ziel zu gelangen.

Der Kaiser versicherte mir, daß Kaiser Napoleon versprochen habe, sonst keine Veränderungen mit Deutschland vorzunehmen: doch wenn man bedenkt, daß gegen das gegebene Versprechen Preußen selbst noch nach abgeschlossenem Frieden 100 Millionen abgesordert worden sind, so dars man wohl kaum sest daraus bauen. Eine unan­genehme Nachricht habe ich noch zu geben, nämlich die, daß Napoleon dem Kaiser von Rußland bei der Zurückgabe von Mecklenburg gesagt hat, er möge ihm nicht verargen, wenn er bis zum Frieden mit England alle Häsen der Ostsee besetzt hielte. Wir dürfen uns also Wohl nicht schmeicheln, vor Beendigung jenes Krieges die französischen Truppen ganz aus dem Lande verschwinden zu sehen."

Der Erbprinz blieb noch bis zum 7. August im Kreise der kaiserlichen Familie, war noch wiederholt in Pawlowsky bei der Kaiserin, die ihnwie eine liebende Mutter" aufnahm. Am 4. August wurde deren Namenstag in Peterhof durch ein glänzendes Fest gefeiert. Vor seiner Abreise hatte Friedrich Ludwig noch mit dem eben vom Kriegsschauplätze zurückgekehrten Minister des Auswärtigen Baron Budberg eine Conferenz, in welcher er seine Wünsche dar­legte und die Zusicherung einer thunlichsten Unterstützung derselben erhielt.

In der Nacht vom 7. aus den 8. trat der Erbprinz in Begleitung des Kammerherrn von Oertzen die Rückreise an, traf am 12. in Memel ein und verweilte einen Tag bei dem preußischen Königspaar. Wie begreiflich, herrschte dort die tiefste Niedergeschlagenheit. Der Erbprinz nahm den wärmsten Antheil an dem schweren Unglück, welches Preußen und sein Herrscherhaus betroffen. Seit lange war er dem Königspaar nahe befreundet. Königin Luise hatte eine be­sonders warme Zuneigung zu der verstorbenen Helene Paulowna empfunden. Als diese im Sommer 1803 schwer erkrankte, hatte sie wiederholt daraus ge­drungen, daß die Erbprinzessin zu ihr nach Sanssouci gebracht würde, und, da dies sich unthunlich erwies, ihren Leibarzt vr. Brown zur ärztlichen Be­handlung nach Ludwigslust geschickt. Dann, als der Zustand bedenklicher wurde, war sie selbst mit dem König an das Krankenbett der Freundin geeilt. Der frühe Heimgang der jungen Fürstin hatte die Freundschaftsbande zwischen ihr und dem Schweriner Fürstenhause, ihren Antheil an den mutterlosen Kindern nur noch fester geknüpft. Aber weder die Königin noch der Erbprinz sollten den Tag erleben, an welchem ihre Kinder 15 Jahre später sich am Altar die Hand reichten.

Das Reisejournal des Erbprinzen schildert den wehmüthigen Eindruck jener Begegnung in Memel mit ergreifenden Worten. Es bringt auch eine Reihe von

Einzelheiten über die traurigen Tilsiter Tage und das übermüthige Gebühren

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