Heft 
(1892) 70
Seite
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Ein Thronerbe als Diplomat

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Ein anderes Mal fragte er den Kaiser von Rußland:Wer ist denn dieser Herr von Budberg? Er ist doch kein Russe?"Gewiß ist er es."Ach so, aus einer Ihrer deutschen Provinzen." Die Bemerkung des Zaren:Sind

denn die Elsässer nicht auch Franzosen" schloß ihm den Mund.--

- Napoleon schien mit einer Offenheit prahlen zu wollen, die uns

mit Recht in Erstaunen setzen kann und welche beweist, wie viel er sich neben seinen anderen Erfolgen auch aus seine geistige Ueberlegenheit zu Gute that. Er mußte von der Letzteren sehr überzeugt sein, um nachstehende Aeußerungen zu wagen. Er hatte dem Kaiser von Rußland verschiedene Dinge zu Gunsten Preußens versprochen, führte sie aber nicht aus, und als der Kaiser Alexander darüber Aufklärung verlangte, bemerkte er chnisch, es sei seine Gewohnheit, zu versprechen und nicht zu halten.Es ist manchmal ganz nützlich, etwas zu ver­sprechen," setzte er frech hinzu. Er entwickelte auch in einer Unterhaltung mit den beiden Monarchen die Einzelheiten der französischen Constitution und sagte dabei wörtlich:gus tont esla u'ätait qu'uus lüree xour umussr 1a uatiou, iual8 qus äau8 elmqus artiels äs 1a eoustitutiou 11 avait su 86 msuaZsr 168 luovsus äs 1a r6uv6i'86r st äs kairs es gu'11 vouärait 8au8 qus esla paral88ait strs eoutrs 1s8 1oi8 ätad1is8."

Man glaubte, daß die Anwesenheit der Königin dazu beitragen könnte, um Bonaparte zu bestimmen, die Lage Preußens günstiger zu gestalten. Die Königin kam nach Picktupönen ins Hauptquartier. Napoleon sandte seinen Oberstallmeister von Caulaincourt dorthin, um sie zu begrüßen und ihr zu sagen, wie sehr er ihre Bekanntschaft zu machen wünsche. Er wisse, daß es seine Wicht sei, ihr seine Aufwartung zu machen, allein wichtige Geschäfte hielten ihn zurück; er bitte daher um die Gunst, daß sie ein Diner bei ihm in Tilsit annehmen möge.

Die Königin ließ erwidern, sie werde nach Tilsit kommen, um dort ihren Gemahl, den König, zu besuchen. Kaum war sie dort angelangt, so erschien Napoleon bei ihr und war von bestrickender Liebenswürdigkeit. Als der König einen Augenblick hinaus ging, um den Großherzog von Berg zu empfangen, sagte die Königin zu Napoleon:Ich weiß, man hat Ihnen gesagt, Sire, daß ich mich in die Politik mische. Man hat mir Unrecht gethan, denn ich sühle dazu weder die Neigung noch die Fähigkeit, aber als Mutter und Gattin muß ich die Interessen Preußens Ew. kaiserlichen Majestät ans Herz legen." Napoleon machte darauf eine verbindliche Bemerkung und fragte dann später, welche Provinz sie dem König zurückgegeben zu sehen wünsche. Ohne die Fassung zu verlieren, erwiderte die Königin:Alle, Sire!" Napoleon drückte später dem Kaiser Alexander sein Erstaunen über diese Antwort aus. Er habe geglaubt, sie ein­schüchtern zu können, aber keineswegs, sie habe ihm wie ein Staatsmann geantwortet (slls lui avait rspouäu su iuiui8trs). Er sagte ihr dann noch im Laufe des Tages:Ich weiß, daß man Ew. Majestät Unrecht gethan hat, indem man behauptete, daß Sie sich mit Politik befaßten, allein ich wünschte, Sie thäten es; die Dinge würden dann viel besser gehen!" Die Gesellschaft an der Tafel bestand aus den beiden Kaisern, dem König und der Königin von Preußen, dem Großherzog von Berg, dem Großfürsten Constantin, dem Kronprinzen von Bayern und der Gräfin Boß, Oberhofmeisterin der Königin. Der Marschall