Heft 
(1892) 70
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Deutsche Rundschau.

Duroc wartete an der Tafel stehend auf. Dieser erste Tag ging sehr befriedigend vorüber. Die Umgebung Bonaparte's versicherte, daß er von der Königin ent­zückt sei und gesagt habe: es genüge nicht, wenn man ihr die Krone zurückgebe, man müsse noch eine zweite ausfinden, um sie ihr zu Füßen zu legen. Man trennte sich an jenem Tage mit den schönsten Hoffnungen. Aber der nächste war recht verschieden. Napoleon war verlegen, und es geschah nichts von dem, was man gehofft hatte. Die Königin ihrerseits war nun sehr kühl und benahm sich mit großer Würde. Man will wissen, daß vielleicht einige unvorsichtige Bemerkungen, die Napoleon hinterbracht waren, die veränderte Stimmung ver- anlaßten, daß es aber auch das Werk Talleyrand's war, der seinem Herrn gesagt

haben soll:Wie, Ew. Majestät würden vor einer Frau zurückweichen?"-

Napoleon suchte etwas darin, die Königin fühlen zu lassen, daß er Schlesien bei Preußen belassen wolle. Indem er der Königin ein Compliment über ihr Kleid machte, fragte er, wo es gearbeitet sei.Bei uns, Sire," war die Ant­wort.Also in Breslau, Madame!" Er legte es auch in auffälliger Weise daraus an, daß sie ihm dafür danken mußte, daß er ihr Heimathland, das Herzog­thum Strelitz geschont habe.--Ich war fast den

ganzen Tag mit dem König und der Königin zusammen. Wie soll ich Worte finden, um den Eindruck zu schildern, den die Größe ihres Unglücks und die Würde, mit der sie es tragen, aus mich machte! Ich kann nur weinen, wenn ich daran denke."

Der bekannten Erzählung von der Rose und der Bitte wegen Magdeburg erwähnt das Tagebuch des Erbprinzen nicht, dagegen wird noch einmal in be­wundernden Worten die Thatsache angeführt, daß Napoleon dem König von Preußen als Entschädigung für die abgenommenen Provinzen das Herzogthum Mecklenburg-Schwerin angeboten habe, dieses Ansinnen aber von dem edlen Monarchen kurz und kategorisch abgelehnt sei. Am 22. August traf Friedrich Ludwig wieder in Doberan ein, wo der Herzog sich gewohnterweise um diese Jahreszeit aushielt, und erstattete seinem Vater noch in einem längeren Memoire eingehenden Bericht über den Verlauf seiner Mission. Der Aufenthalt in der Heimath sollte nicht von langer Dauer sein. Ein neuer, ungleich schwierigerer Auftrag stand ihm bevor.

Bereits zu Anfang des Monats August hatte der französische Gesandte von Bourienne in vertraulicher Form der Schweriner Regierung mitgetheilt, es sei der Wunsch des Kaisers, daß der Herzog dem Rheinbund beitrete. Eine gleiche Kundgebung war nach Strelitz gelangt. Angesichts einer französischen Besatzung von einigen zwanzig Tausend Mann war ein solcher Wunsch von einem Befehl nicht sehr verschieden. Friedrich Franz überwand seine persönliche Abneigung gegen ein derartiges Schutzverhältniß und erwog die Vortheile, die es für ihn und sein Land haben konnte. Die Verleihung der Souveränetät, die dieser Act in sich schloß, schlug er nicht hoch an. Mit seinen Ständen war er in gutem Einvernehmen. Eine Einschränkung ihrer Privilegien zu Gunsten der Krone, gerade jetzt, wo Ritter- und Landschaft in Opferwilligkeit und Treue gewetteifert, kam ihm nicht in den Sinn. Wohl plante er einige Modificationen, aber die Grundlagen der alten Verfassung anzutasten, schien ihm weder nützlich noch zulässig.