Heft 
(1892) 70
Seite
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Deutsche Rundschau.

Mir hatte der schöne Frühlingstag neuen Muth für das Reiseunternehmen gegeben. Wir hatten mit Tajeb, unserm jungen Freunde aus Elles, geplant, die erste Gelegenheit zu ergreifen, um eines Wagens habhaft zu werden, der uns nach Tunis brächte.

Am andern Morgen war Alles zur Jagd ins Thal geritten. Ich hatte meinen Tag mutterseelenallein verbracht, war in den Felsen umhergestiegen, zur Quelle, an der Adalgisa singend wusch, und hatte manche schöne Gebirgspflanze in den Steinen gefunden. Da erschien, es mochte sechs Uhr Abends sein, ein Bote aus Elles mit der Meldung, im Dorfe sei ein Wagen, der den andern Morgen nach Tunis weiterfahre, ich solle mich bereit halten. So packte ich ein Köfferchen und Adalgisa that einen Griff in den Hühnerstall, um ihr lahmes Lieblings­huhn als Reiseimbiß zu opfern. Den folgenden Morgen fiel ein sanfter Regen, und ich glaubte schon die Partie aufgegeben. Doch es wurde um Mittag klar, und nach einigem Hin- und Herreden stiegen wir zu Pferde und ritten über den wohlbekannten Bergrücken nach Elles zu, wo uns Tajeb zur Nacht beher­bergen wollte, um Tags daraus mit uns vor Sonnenaufgang die Reise nach Tunis sortzusetzen. Diesmal wurde der nähere Weg über das Städtchen Tebourssouk gewählt, der mich wegen der an der Straße liegenden Ruinen von Dougga und Ain-Tunga lockte.

Die Luft war feucht und kühl, dunkle Wolken am Himmel versprachen nichts Gutes. In Elles stand schon Tajeb mit seiner Riesensippe, lauter Enakssöhnen, an der Thür ihrer niedrigen Hütte. Er ist der jüngste von den sieben Söhnen eines verstorbenen Dorfältesten, derselbe, der mir einmal auf die Frage, was er triebe, die elastische Antwort gab:Ich sitze." Tajeb und seine Brüdersitzen" alle sieben, das heißt sie leben von ihrem Vermögen, das von dem ältesten Bruder allein verwaltet wird, wofür er die sieben Familien unterhält. Ihr Hauptgeschäft besteht darin, die Gelegenheiten auszuspähen, wo sie ihren Nettesten heimlichdeck ckurga", bestehlen, unter der Hand einen Hammel oder einen Sack Oliven verkaufen und den Erlös behalten können, ein nach ihrer Auffassung hoch moralisches Verfahren.

Dieses Mal war es die große Frage, ob das gefürchtete Familienoberhaupt dem Jüngsten die ersehnte Reise nach Tunis gestatten würde. Als wir an der Hausthür abstiegen, sah ich an Tajeb's glücklichem Gesicht, daß sich sein Wunsch erfüllen sollte. Der Abend in der arabischen Hütte war unvergeßlich. Wir saßen unter Riesenölkrügen in einem niedrigen säulengestützten fensterlosen Raum auf einer steinernen Bank, in lebhafter Unterhaltung mit den männlichen Familienmitgliedern, die uns im Kreise umgaben. Als es dunkelte, zündete man ein Oellicht an, und Tajeb trug einEssen" auf, den üblichen Kuskus mit Psefferschoten und großen Stücken weißlichen Hammelfetts, an dem sich der älteste Bruder mit uns gütlich that. Die Reste wurden den übrigen Anwesenden überlassen, die ihrerseits dem Mahl zusprachen, das im Frauengemach endete.

Während man uns mit wollenen Decken in einer Nische das Nachtlager bereitete, kam die alte Mutter des Hauses, um mich zu den Frauen zu führen, deren Wohnungen alle aus einen Hof münden, in welchen Ochs und Esel ihren Standort haben. Das Gemach des Schecks ist ein schmaler Raum, dunkel und