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Deutsche Rundschau.
hervor, verkroch sich aber gleich wieder hinter ihrem Nebelschleier. Wir hatten eine gut gelegene Olive gewählt und darunter unser Mittagsmahl gehalten. Es sand sich nun leider, daß das eine Huhn nicht im Verhältniß zu Zahl und Appetit der Speisenden stand, wenn auch Tajeb noch zwei arabische Hirsebrote aus seiner Satteltasche hinzufügte.
Der Kutscher hatte uns versprochen, bis zum Abend in Tebourssouk zu sein, damit wir am andern Morgen früh weiterfahren und die Eisenbahnstation Medjez-el-Bab zum Nachtzuge erreichen konnten. Wir hielten uns also nicht lange bei unserem frugalen Mahl aus, machten ein Stück Weges zu Fuß, um von den schönen wohlriechenden Disteln zu pflücken, die den Wiesengrund bedeckten, und stiegen wieder ein, um Stunde nach Stunde noch im Wagen auszuhalten. Tajeb trabte aus seinem schnellen Maulthier vergnügt nebenher. Weite Flächen lagen hinter uns, die Berge der Hamada, die Ebene von Sers waren längst verschwunden. Neue Ebenen und Gebirgsketten thaten sich vor dem Blick auf. Der Tag blieb grau, es fehlte der Landschaft an dem Reiz, den die südlichen Farben aus sie auszugießen pflegen. Während der langen, zwölfstündigen Fahrt begegneten wir nur selten einer menschlichen Behausung, einem Beduinenzelt oder Heiligengrab, in der Einsamkeit wie verloren. Gegen vier Uhr, als wir das Bordj-Jbrahim, einen antiken Circus, und die prachtvollen Ruinen von Dougga passirten, fielen die ersten Tropfen vom Himmel-
Der bisher leidlich gute Weg wurde beschwerlich, und wir schauten begierig nach Tebourssouk aus. Da lag es aus dem Rücken eines Berges, an einer grünen Schlucht wie ein Fleck Weißen Schnees auf einem Abhang. Bei Sonnenschein muß Tebourssouk ein entzückender Aufenthalt sein. Ein Wald von Oliven füllt die Thalschlucht, die Bergwände sind mit dichtem Grün bedeckt, und Quellen rieseln in reicher Zahl hinunter. Selbst bei dem jetzt strömenden Regen schien mir das arabische Landstädtchen reizvoll und freundlich. Wie unser Wagen durch das Thor rasselte, sah aus jedem kleinen Laden am Wege ein beturbanter Kopf heraus aus die Ankömmlinge — mir war zu Muth, wie dem Provinzialen, der in die Residenz kommt. Das Treiben der Menschen war dem Auge ungewohnt; die Häuser, zierlich und sauber gebaut, erschienen mir wie Paläste nach den niedrigen Steinhütten, unter denen ich seit Monaten gelebt hatte. Auch kannte ich Tebourssouk lange dem Namen nach aus den Erzählungen eines alten italienischen Nachbars aus Marsa, der dort vor Jahren eine schöne antike Mosaik, Jagd und Fischzug darstellend, wollte gesehen haben.
Wir hielten am Funduk, dem Stall von Bethlehem, in dem Ochs, Esel, Kameel und Maulthier zur Nacht abgestellt werden, und friedlich Krippe an Krippe nebeneinander stehen. Tajeb machte sich auf, den Chalifa des Ortes zu suchen, der uns die Gastfreundschaft bieten sollte. Wir aber durchzogen trotz strömenden Regens das ganze Städtchen, unerschrocken von Gasse zu Gasse watend, um die Mosaik zu finden. Niemand wußte uns jedoch Auskunft zu geben, wir sahen Wohl römische Mauern in Menge, auch einen punischen Drachen, mit dem Kopf nach unten in eine arabische Hofwand eingefügt, doch nichts von dem gesuchten Wunderwerk. Es war Abend geworden, Herden brüllenden Viehes zogen ein und versperrten die schmalen Straßen, die sich allmälig in einen wahren Sumpf