Heft 
(1892) 70
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Danton.

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einem Versuch, dem wahnsinnigen Morden der Ausschüsse Einhalt zu thun, ge­brach es ihm an Entschlossenheit und an Einfluß; vor der Gemeinschaft mit den Machthabern des Tages hielt ihn ein tiefes Grauen zurück, für die eigene Sicher­heit zu sorgen hinderten ihn Stolz und Selbstüberschätzung. Er war sich bewußt, Robespierre keine Ursache zum Mißtrauen gegeben zu haben; er rechnete mit der ihm Wohl bekannten persönlichen Feigheit des ehemaligen Genossen und mit der ungeheuren Popularität, die ihm sein vieljähriger Verkehr mit der Pariser Be­völkerung erworben hatte. Seine hierauf bezüglichen Aussprüche sind historisch geworden:Lieber lasse ich mich guillotiniren, als daß ich selbst guillotinire." Mich anzutasten wird er (Robespierre) nicht wagen." Als ihm von Auf­suchung eines Verstecks geredet wurde:Wo sollte ich mich verbergen?" Und als man ihm Flucht anrieth:Kann man das Vaterland an den Sohlen mit sich forttragen?"

In seiner Beurtheilung Robespierre's hatte Danton nicht ganz Unrecht ge­habt. Den einzigen noch übrig gebliebenen bedeutenden Mann der Revolution anzutasten, schien dem thatenscheuen Doctrinär weder nothwendig noch rathsam. Als Billaud-Varennes am 13. März die erste aus Danton's Opferung bezüg­liche Anspielung machte, wies Robespierre dieselbe mit Heftigkeit zurück; erst auf das wiederholte und fortgesetzte Andringen Billaud's und des diesem Verbündeten Saint-Just entschloß er sich zum Nachgeben. Der blutbefleckte Septembermann war dem Manne, der an der Spitze derNachsichtigen" stand, seit lange feindlich gesinnt; Saint-Just aber berief sich auf die Nothwendigkeit, freie Bahn zu schaffen und jede Opposition gegen das System im Voraus unmöglich zu machen. Danton war es gewesen, der dem Wohlfahrtsausschüsse zu seinen um­fassenden, nahezu uneingeschränkten Vollmachten verholfen hatte; sollte er nicht auch der Mann sein, wenn es ihm gut schien, die Zurücknahme derselben durchzusetzen? Saint-Just's Forderung,es sollten alle Verdächtigen über ihr Verhalten seit dem Jahre 1789 Auskunft geben", hatte Danton mit den Worten erwidert:Ja Wohl, aber nur wenn von den Mitgliedern der Ausschüsse die gleiche Rechenschaft verlangt wird!" Der bezügliche Antrag war hierauf aller­dings wieder zurückgezogen worden: aber alsDrohung" konnte er immerhin gedeutet werden. Einflüsterungen solcher und verwandter Art hatte Robespierre, der mißtrauischeste aller Menschen, nicht widerstehen können. Zwischen ihm, seinen Genossen Couthon, Saint-Just und Billaud wurde Ende März vereinbart, den Streich gegen Danton zu führen und den bezüglichen Antrag in einer auf den 30. März angesetzten gemeinschaftlichen Sitzung der Ausschüsse einzubringen.

Daß Robespierre und Danton Tags vor der Verhaftung des Letzteren bei einem gemeinsamen Freunde, dem Kassenverwalter des Auswärtigen Amtes, Hum- bert, zu Mittag gespeist und die mehrstündige Fahrt zum Humbert'schen Landhause in dem nämlichen Wagen zurückgelegt haben, ist nach dem unverwerflichen Zeug- niß Billaud's als feststehend anzusehen. Richtig mag auch sein, daß der Gast­geber die Absicht gehegt, eine Annäherung der beiden Nebenbuhler herbeizusühren; was über die bei Gelegenheit dieses letzten Zusammentreffens geführten Gespräche berichtet worden, erscheint dagegen unverbürgt. Gleiche Unsicherheit besteht rück­sichtlich der Theilnahme Desmoulins' an diesem Mittagessen und der besonderen