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Deutsche Rundschau.
Herzlichkeit, die Robespierre dem Jugendfreunde dabei gezeigt haben soll. Es liegt eine andere, wahrscheinlichere Version vor, nach welcher der unglückliche Camille an eben diesem Tage dem Professor Joseph Planche geklagt haben soll, daß Robespierre ihn nicht mehr empfangen wolle. Wie dem immer gewesen, die Würfel waren bereits am Vorabende des 30. März gefallen, die zwischen Billaud, Saint-Just und Robespierre getroffenen Verabredungen so bündig geschlossen, daß das Verhängniß seinen Gang nahm. Unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Charenton begab Robespierre sich in das Berathungszimmer des Pavillon de Flore, wo die Mitglieder der Ausschüsse der öffentlichen Wohlfahrt, der Sicherheit und der Gesetzgebung seiner harrten. Nachdem eine Reihe administrativer Beschlüsse gefaßt worden, und als die Versammlung sich eben zum Aufbruche anschickte, ergriff Saint-Jnst das Wort, um die Verhaftung der Abgeordneten Danton, Camille Desmoulins, Lacroix und Philippeaux vorzuschlagen, und diesen Antrag durch Verlesung einer ausführlichen Anklageschrift zu begründen.
Die Einzelheiten dieser zu nächtlicher Stunde gepflogenen Verhandlung sind in diesen Blättern so ausführlich wiedergegeben worden, daß wir hier einfach darauf zu verweisen haben I. Von den anwesenden achtzehn Ausschußmitgliedern verweigerte nur eines, Robert Lindet, die Unterschrift unter den Anklagebeschluß, der noch in der nämlichen Nacht zur Ausführung gelangte.
Saint-Just's Anklageschrift war auf Grund einer Anzahl von Notizen versaßt worden, die Robespierre seinem, mit der Vorgeschichte der Revolution nur unvollständig bekannten, erst im Herbst 1792 nach Paris übergesiedelten Freund gegeben hatte. Offenbar seit Jahr und Tag gesammelt, liefern diese Notizen unwidersprechliche Beweise dafür, daß es sich bei dem beabsichtigten Streich um ein rein politisches, jeder rechtlichen Basis entbehrendes Vorgehen gehandelt hat. Wenn es auf einen Act strafender Gerechtigkeit abgesehen war, der aus Rücksicht aus die öffentliche Moral und den guten Ruf der Republik nicht zurückgehalten werden konnte, so wäre das entscheidende Gewicht aus diejenigen Punkte zu legen gewesen, die einen kriminellen Charakter trugen. Solchen Falls hätte wenigstens der Versuch angestellt werden müssen, Danton der Veruntreuungen und Bestechlichkeiten zu überführen, die man ihm zur Last legte. Von diesen Anklagen war jedoch in der den Ausschüssen vorgelegten Denkschrift nur beiläufig und ohne jede Berufung auf Actenstücke, Zeugenaussagen oder sonstige Beweismittel die Rede. Dafür wurde aller Nachdruck aus Danton's Beziehungen zu politisch-verdächtigen oder unliebsamen Personen gelegt, seine cynische Denkungsart als strafwürdiges Verbrechen behandelt und der Rest mit Fabeln bestritten, die den Stempel widersinniger Erfindung an der Stirne trugen.
Einige Mittheilungen aus den von Robespierre gelieferten, von Saint-Just mit verbindendem Text begleiteten Notizen werden zu dem Beweise genügen, daß die sogenannte Anklage ein Gewebe wahrhaft unvergleichlicher Nichtswürdigkeiten und Absurditäten darstellte.
Danton habe die öffentliche Meinung eine Dirne, die Nachwelt eine Albernheit genannt; er habe es Robespierre zum Vorwurf gemacht, daß dieser sich
Deutsche Rundschau, Bd. I.XIII, S. 63-65: „Saint-Just".