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Deutsche Rundschau.
halten, ist kaum jemals in einer gerichtlichen Verhandlung zu Markte gebracht worden. Rücksichtlich Dantons' und Desmoulins' lag gar keine juristisch formu- lirte Anklage vor: die Stelle einer solchen vertrat der wörtliche Wiederabdruck des Vortrages, welchen Saint-Just auf Grund der Notizen Robespierre's den versammelten Ausschüssen gehalten hatte. Die an dramatischen Momenten überreiche Gerichtsverhandlung entbehrt demgemäß jedes strafrechtlichen Interesses. Fabre und Genossen sollten bei Gelegenheit der Feststellung der Concession für die indische Handelsgesellschaft diese in sträflicher Weise und auf Unkosten des Staats begünstigt, dabei Fälschungen verübt, außerdem im Verein mit Hsrault eine Verschwörung gegen die Republik und die Volksvertretung geplant und mit Hülfe des Auslandes vorbereitet haben, — Danton, Desmoulins, Philippeaux und Westermann an diesem Unternehmen betheiligt gewesen sein. Im Uebrigen bliebe ihnen überlassen, sich gegen die allgemein gehaltenen, nirgend substanzirten Beschuldigungen des Saint-Just'schen Libells (s. o.) zu vertheidigen. Danton hatte vier Entlastungszeugen, Lacroix deren elf namhaft gemacht: den Deputirten Cambon ausgenommen, war keiner dieser Zeugen zur Verhandlung geladen worden. Cambon, der in Sachen Hsrault's mit äußerster, nicht eben ehrenhafter Vorsicht zu Werke ging, konnte hinsichtlich Danton's und Lacroix' nicht mehr aussagen, als daß er ihnen bei Gelegenheit der Mission nach Belgien 100 000 Fr. zu geheimen Ausgaben ausgezahlt habe, — eine Thatsache, die von den Angeklagten niemals in Abrede gestellt worden war. Den größten Theil der Verhandlung des ersten Tages füllten die Verhöre Hsrault's und Fabre's, an deren Angelegenheiten Danton, Desmoulins, Lacroix, der General Westermann und Philippeaux gar nicht betheiligt waren. Als Danton endlich zum Worte gelaugte, begann die anfänglich ziemlich schleppend behandelte Verhandlung sofort eine veränderte Physiognomie anzunehmen. Hatte es bereits tiefgehenden Eindruck gemacht, daß bei Hereinführung der Angeklagten einer der Secretäre des Tribunals (Fabricius Paris) weinend an Danton's Brust gesunken war, und daß dieser die Antwort aus
die herkömmlichen Fragen nach Wohnung, Alter, Stand u. s. w. mit dem bekannten „meine Wohnung wird nächstens das Nichts sein, mein Name im
Pantheon der Geschichte bleiben", beantwortet hatte, so war die Wirkung der
ersten, von seiner mächtigen Stimme dem Präsidenten zugedonnerten Vertheidi- gungsworte ein magischer. Aus dem unförmlichen Knäuel des Anklagepamphlets hatte Herman zunächst die Anschuldigung auf Theilnahme an dem Abfall Du- mouriez' herausgegriffen und den Angeklagten zu einer Erklärung auf dieselbe aufgefordert. Da die Anklage aller Begründung entbehrte und keinerlei bestimmte Behauptungen enthielt, sah Danton sich veranlaßt, dieselbe mit einer Schilderung seiner gesammten revolutionären Vergangenheit zu beantworten, sein Ver- hältniß zum Herzog von Orleans, zu den Girondisten, zu dem von diesen verfolgten, von ihm vertheidigten Marat, zu den Hauptereignissen der Revolutionsgeschichte u. s. w. zu erörtern; den rein privaten Charakter seiner im Juli 1789 unternommenen und von Robespierre als besonders verdächtig bezeichnten Reise nach England nachzuweisen, daran zu erinnern, daß er es gewesen, der der revolutionären Regierung ihre gegenwärtige Gestalt gegeben und mit der ironischen