278
Deutsche Rundschau.
des ersten und zweiten Jahrhunderts, wo endlich neuestens höchst belangreiche Funde uns bis dicht an die Schwelle des Apostolischen Zeitalters führen.
So war nach und nach in wenigen Jahren eine ganze versunkene Welt vor unseren erstaunten Augen wieder auserstanden. Die christlichen Zeitgenossen Trajan's und Marc Aurel's, die Blutzeugen, welche der Verfolgung der Decius und Diocletian zum Opfer gefallen; die Männer, welche das Herz der antiken Menschheit zu Christus umgewandt; die Staatsmänner aus der Schule der Constantin und Theodosius: sie singen auf einmal an, aus ihren Inschriften, aus den Bildern ihrer Gräber zu unserer Gegenwart zu sprechen; aus den einzelnen Zügen begann sich, wie aus zerstreuten Würfeln, ein Mosaikgemälde zusammenzufügen, welches uns zuerst ein adäquates Gesammtbild des christlichen Alterthums gewährte. Das ist das unsterbliche Werk, auf welches heute de Rossi znrückblicken darf.
In schweren, kostbaren Bänden hat de Rossi die Ergebnisse seiner Forschung der gelehrten Welt vorgelegt. Im Jahre 1857 erschien der erste Band jenes großen Werkes, welches die christlichen Inschriften der Stadt Rom zusammen- sassen soll: dieser erste Band bringt von den etwa 14000 Nummern nur 1374, die datirten: mit ihrer Publication wurde die christliche Epigraphik als Wissenschaft begründet. Hätte de Rossi sonst nichts hinterlassen, er stände für alle Zeiten da als der Erste unter allen Vertretern der christlichen Alterthumsforschung. Dann aber kam 1864 der erste, 1867 der zweite, 1877 der dritte Band seines Hauptwerkes, der „Uoina sottorranoa" — dieses Nonuiuentuin aero xoronnius, in welcher alle die Gräberwelt der alten Christen betreffenden principiellen Fragen erörtert, die Topographie der römischen Katakomben hergestellt und endlich die eingehendste Beschreibung der Callistkatakombe und einiger kleineren Cömeterial- anlagen gegeben ist. Daneben stattet de Rossi in dem seit 1863 erscheinenden, von ihm selbst verfaßten „Uullettino äi areüsoloZja eristiana" fortlaufenden Bericht über seine Ausgrabungen und alle einschlägigen Studien ab. Die Bewältigung so ungeheurer Aufgaben hat aber seine Arbeitskraft nicht erschöpft. Seit die Berliner Akademie die Herausgabe des alle Denkmäler der römischen Epigraphik umfassenden „Corpus Inseriptlonum üatiiiarum" beschlossen, ist de Rossi ein thätiges Mitglied der dieses bewunderungswürdige Werk leitenden Commission gewesen, und sein Name glänzt mit demjenigen Th. Mommsen's, Ritschl's, Henzen's an der Spitze dieser der deutschen Wissenschaft zum höchsten Ruhme gereichenden Schöpfung.
Und daneben lausen zahlreiche und zum Theil auch dem Umfange nach bedeutende Nebenarbeiten, Gelegenheitsschriften, Reden, Abhandlungen, bald über Gegenstände der profanen, bald der christlichen Archäologie, wie sie kein Fachmann ohne jenes Gefühl köstlichen Genusses aus der Hand legt, der uns aus der Lectüre von Untersuchungen entspringt, in denen sich eine immense Belesenheit mit der Sicherheit einer bis zur Virtuosität gesteigerten Methode paart. Eine von diesen Nebenarbeiten darf ich hier nicht unerwähnt lassen: sie würde jedem Andern allein einen unvergänglichen Namen in der Wissenschaft gesichert haben. Ich meine jenes herrliche Prachtwerk der „Nusaiei eristiani", welches im Jahre 1870 bereits begonnen, in diesem Jahre endlich seinem Abschlüsse entgegengeht. Die