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Deutsche Rundschau.
Stellung und Bezeichnung der eines Fürsten entspricht, trägt weder Purpur noch Diadem, sondern unterscheidet sich von der Menge einzig und allein durch einen Büschel Kornähren, welchen er in der Hand hält.
In den Morgenstunden nun werden in öffentlichen Sälen und Bibliotheken sreie Vorträge gehalten, und dies von einer seither noch nicht erwähnten Gelehrtenklasse, welcher junge Leute, die sür Wissenschaft und Kunst beanlagt sind, aus Vorschlag der Syphogranten vom Volke zugewiesen werden. Diese sind von der Verpflichtung zu gewöhnlicher Handarbeit gesetzlich ausgenommen. Sobald einer unter ihnen die öffentliche Hoffnung täuscht, wird er in die Klasse der Arbeiter zurückversetzt. Wenn aber umgekehrt (und dieser Fall ist in Utopien häufig) ein Arbeiter dahin gelangt, sich dadurch, daß er die Mußestunden wissenschaftlichen Studien widmet, eine genügende Bildung zu verschaffen, so wird er von der mechanischen Arbeit freigesprochen und in die Gelehrtenklasse erhoben. Diese letztere ist es auch, aus welcher die Gesandten, die Priester, die Traniboren und der Fürst gewählt werden.
Am Vormittage gehören sodann drei Stunden der Berufsarbeit. Um ein Uhr verkündet eine Trompete die Stunde der Mahlzeit. Die ganze Syphograntie, mit Ausnahme derjenigen, welche zu Haufe oder im Hospitale krank darniederliegen, begibt sich nun nach dem Hause ihres Beamten, um dort gemeinschaftlich zu speisen; es ist zwar erlaubt, zu Hause sich selbst Lebensmittel für seinen Bedarf zuzurichten, allein in den Städten macht davon Niemand ohne ganz zwingende Gründe Gebrauch; die auf dem Lande Beschäftigten sind freilich zu weit von einander entfernt, um gemeinsam speisen zu können, sie halten ihre Mahlzeiten jedes für sich zu Hause. Die Zubereitung der Speisen und die Herrichtung der gemeinsamen Tafel fällt den Frauen anheim, welche in diesem Geschäfte familienweise sich ablösen; sür die schmutzigen und beschwerlichen Küchenarbeiten werden auch ihnen Sklaven zugetheilt. Die Mahlzeit wird unter dem Vorsitze des Syphogranten und seiner Gattin abgehalten, und Jeder erhält seinen Platz, unter thunlichster Vermengung der verschiedenen vertretenen Altersstufen, angewiesen; den Dienst bei der Tafel, welche mit kurzer Lektüre eines moralischen Buches eröffnet wird, versehen Jünglinge und Jungfrauen.
Auch am Nachmittage vollzieht sich ein staatlicher Stundenplan in gleich- heitlich geregelter Weise. Es treten zunächst zwei Stunden der Ruhe und Erholung ein, gefolgt von den noch ausstehenden drei Stunden der Handarbeit. Um sieben Uhr wird wiederum gemeinsam das Abendessen eingenommen. Und hiernach gehört eine Stunde der Pflege aufmunternder und bildender Gesellschaft, der Kunst und gestatteten Spielen, in öffentlichen Gärten oder den gemeinschaftlichen Speisesälen.
Wünscht ein Bürger einen Freund zu besuchen, der in einer anderen Stadt wohnt, oder will er zur sonstigen Erholung und Auffrischung eine Reise unternehmen. so hat er bei den Syphogranten um Urlaub einzukommen, über dessen Ertheilung ihm ein Paß, unter Festsetzung eines Tages der Rückkehr, ausgefertigt wird. Dem Reisenden werden Wagen und Sklaven unentgeltlich zur Verfügung gestellt; und wo er sich aufhält, wird er frei verpflegt, wogegen freilich, falls er länger als einen Tag in einer fremden Stadt verweilt, er dortselbst bei seinem