Heft 
(1892) 70
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Deutsche Rundschau.

als daß sie dieselben verstehen könnten.Die Gesetze," entgegnete ein Utopier dem fremden Reisenden,sind zu dem einzigen Zwecke aufgestellt, daß Jeder von seinen Rechten und Pflichten Kenntniß erhalte. Die Feinheiten Ihrer Commentare und Monographien aber sind nur Wenigen zugänglich und klären nur eine geringe Zahl von Gelehrten auf. Was für ein Unterschied liegt jedoch für die Masse der Bevölkerung darin, ob es keine Gesetze gebe, oder ob die vorhandenen Gesetze so dunkel und verwirrt sind, daß man, um eine wahre Bedeutung herauszube­kommen, ungewöhnlichen Scharfsinn besitzen und lange Untersuchungen und Studien gemacht haben müßte?"

Und endlich spielt hiernach ans der Insel Utopien die Rechtsentwicklung und eine etwa fortlaufende gesetzgeberische Thätigkeit keine Rolle; ein Streben nach Verbesserung und Vervollkommnung des geschichtlich überlieferten Rechtszustandes ist gar nicht von Nöthen, denn an den getroffenen Einrichtungen gibt es nichts zu bessern. Denken läßt es sich, daß in der Technik auch dorten weitere Fort­schritte gemacht und die Annehmlichkeiten des Lebens erhöht und gesteigert Werden; ihre Gesetze aber sind nach der Meinung der Utopier keiner Vervoll­kommnung fähig: sie bedeuten, glauben sie, den idealen Zustand eines menschlichen Gemeinwesens.

II.

Woher, aus welcher Quelle wissen wir nun dieses Alles? Wer ist der glück­liche Reisende, der in Utopiens Häfen eingelausen, um uns die Kunde von dem wunderbaren Lande heimzubringen?

Der geneigte Leser hat längst errathen, und weithin ist es ja bekannt, daß eine Mär es ist, die uns beschäftigte, ein Werk der dichterischen Phantasie, die Vorstellung, die in Gedanken webte, von einem Staate, einer Gesellschaft, wie sie sein könnten und sein sollten. Nein, dies Utopien, dieses, zu deutsch,Nirgend­heim", hat niemals existirt; ein Jdealstaat ist es, wie sie nur in Büchern leben.

Es war im Jahre 1516, da dies Buch, mit dessen Inhalt wir soeben uns bekannt gemacht haben, in der gelehrten Welt erschien. Sein Titel würde, aus der lateinischen Sprache, in der es abgefaßt istH, in die unsrige übertragen, lauten:Von dem besten Zustande eines Staats Wesens und der neuentdeckten Insel Utopien", versaßt von Thomas More, demselben Thomas Morus, welchem in der politischen Geschichte des Resormationszeitalters eine so hervorragende Rolle zu spielen zugefallen war, und dessen Name mit der blutigen Epoche Heinrich's VIII. von England in unauflöslicher Weise tragisch sich verwebt hat.

Wir stehen bei der Zeit, da König Heinrich VIII. seinen berüchtigten Ehe- scheidungsproceß mit Katharina von Arragonien betrieb, um Anna Boleyn, die zweite seiner nachmaligen sechs Gemahlinnen, heirathen zu können. Der Papst

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