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Deutsche Rundschau.
von Cabet^), einem französischen Advocaten und politischen Schriftsteller, welcher nachmals den Versuch, sein communistisches Jcarien an den Ufern des Mississippi mit einigen hundert Gesinnungsgenossen aus dort erworbenem Landgebiete in Wirklichkeit umznsetzen, mit gänzlichem Fehlschlagen aller seiner Pläne und kümmerlichem Ende gebüßt hat.
Allein vor Allem ist es unsere heutige Zeit, welche den Gedanken des Morus mit ganz besonderem Eifer ausgegrisfen und neu belebt hat; sind doch gerade in diesen letzten Jahren, von kleineren Producten abgesehen, in verschiedenen bemerkens- werthen Utopien vielleicht die besten Nachfolger des Werkes von Morus auf dem Büchermärkte erschienen. Ich meine natürlich in erster Linie das heute in Aller Händen befindliche Buch von Bellamy „Im Jahre 2000; ein Rückblick auf das Jahr 1887"^); und nenne neben diesem im Besonderen das deutsche anonym (von „Jemand") herausgegebene geistreiche Werk „Das Maschinenalter" ^), — Zukunftsvorlesungen, von einem in weiter künftiger Zeit lebenden akademischen Docenten der Alterthumskunde gehalten, in welchen er die Ergebnisse seiner Forschungen über das Ende des neunzehnten Jahrhunderts christlicher Zeitrechnung — eine „Übergangsperiode", für welche er den genannten Titel anwendet — darlegt. Indem beide Bücher aus der lichten Höhe der idealen Zustände künftiger Gemeinwesen auf unsere arme Zeit zurückblicken, unterscheiden sie sich vornehmlich dadurch, daß das letztgenannte Werk mehr den inzwischen geschehenen Fortschritt der Humanität und der Aufklärung betont, während Bellamy seine Aufmerksamkeit in stärkerem Maße den inneren socialen Fragen und der Gesetzgebung zuwendet und dabei einen nicht communistischen, sondern socialistischen Jdealstaat beschreibt, das heißt (denn leider kann dieser Unterschied heute noch nicht allgemein als bekannt vorausgesetzt werden) ein Staatswesen, in welchem nicht alles und jedes Privateigenthum verpönt ist, sondern nur dasjenige an den Productivmitteln, an Fabriken, Grund und Boden, an Bergwerken und Maschinen, nicht dagegen — in zweifelhafter und willkürlicher Unterscheidung — dasjenige an den Consumtionsgegenständen. Und noch mehr neigt, um damit unsere Reihe zu schließen, zu dem Individualismus und der Erhaltung des Privateigenthums wie dem Betriebe von Gewerbe und Industrie durch Einzelunternehmer ein Buch des österreichischen Nationalökonomen Theodor Hertzka „Freiland" ^), in welchem derselbe ein im Innern von Afrika angelegtes Gemeinwesen schildert, welches auf den von ihm für gut erachteten wirthschastlichen Grundsätzen errichtet wäre.
So haben nachgerade die verschiedensten bedeutsamen Reformbestrebungen ihren Jdealstaat gedichtet erhalten, und es erscheint nur folgerichtig, wenn in der Presse unserer Tage Wunsch und Aufforderung zum Ausdrucke gekommen ist, nun auch endlich eine rein bürgerliche Utopie zu schreiben, die, im Gegensätze zu den eben genannten, von den Grundsätzen unserer heute bestehenden Rechtsordnung ausginge.
0 6ll leariö, 1840.
2 ) I^ookmZ 2000—1887, in Boston 1887 ausgegeben, auch in vielen Uebersetzungen
verbreitet.
Erschienen in Zürich (Verlags-Magazin) 1889.
Z Freiland, ein sociales Zukunftsbild. Leipzig, Duncker L Humblot. 1890. Zweite durchgesehene (wohlfeile) Ausgabe. Dresden und Leipzig, Pierfon. 1890.