Gustav von Loeper.
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des Goethe-Archivs zu Weimar sprangen und seine berusene Hand die langverwahrten Bündel zuerst anfschuürte, sein Mund dem versammelten Volke die gehobenen Schätze zuerst ankündigte. So beging er 1885 seine seligsten Stunden, Vertrauensmann und Conseilpräsident der Großherzogin Sophie. Berlin-Weimar nahm ihn nun ganz hin. Der die Testamente der Hohenzollern behütet hatte, vollstreckte die letzten Goethestchen Legate. „Mekka" nannte er Weimar gern in seinen liebenswürdigen Briefen, erst an mich, dann an Suphan; dorthin wendete er, wie der fromme Muselman sein Antlitz zum Gebet, die Gedanken; dorthin fuhr er wieder und wieder, „Patriarchenlust zu kosten". Er hatte eine eigentümliche Neigung, seine Arbeit unterwegs zu betreiben: auch in der Jenaer Lutherherberge oder als Waldbruder in Berka, in der Suleika- Stadt Heidelberg oder am Genfer See forschte und schrieb er, die ambulante Bibliothek zur Seite, ein unermüdeter Sendbote.
Kurz vor seiner tödtlichen Erkrankung trieb er mich mit freundlichem Ungestüm zu rascher Erledigung der „Genien" an, damit unser gemeinsamer Band unverzüglich aus die Bahn komme und der siebzigste Geburtstag ihn frei von allen andern Pflichten über der großen Goethe-Biographie finden möge, die sein Lebenswerk, so hofften wir, krönen sollte und zu der er selbst sich am besten vorgearbeitet hatte. Das Glückauf ist in ein Valet ausgeklungen. Jüngere Hände müssen die Ausgabe ergreifen, die ihm ohne längeres Siechthum, aber in schwerem Todeskamps entsunken ist. Mitten aus unablässiger kraftvoller Thätigkeit hat er Abschied genommen, dieser Edelmann, dieser Ehrendoctor zweier Facultäten, dieser Bürger Berlins und Weimar's, dieser zugleich politische und ästhetische Mensch, der eine schöne, wohlgefugte, ausgeglichene Totalität der Bildung darstellte in einer Zeit, wo die elastischen Ueberlieserungeu und Verpflichtungen schwer gefährdet sind.
„Mit standhafter Neigung ein so würdiges Andenken immerfort zu beschützen, zu erhalten und zu verklären," liegt allen Freunden Berlin-Weimars am Herzen.
Berlin, 16. December 1891. Erich Schmidt.
Deutsche Rundschau. XVIII, 5.
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