Heft 
(1892) 70
Seite
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Deutsche Rundschau.

Es ist das bekannte: ,Jch weiß nicht, was soll es bedeutend"

Ah, das ist recht. Eine jeder Zeit Wohl aufzuwerfende Frage, besonders auf Landpartien."

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Rechts um den See hin gingen nur zwei Paare, voraus der alte Schmidt und seine Jugendfreundin Jenny und in einiger Entfernung hinter ihnen Leo­pold und Corinna.

Schmidt hatte seiner Dame den Arm gereicht und zugleich gebeten, ihr die Mantille tragen zu dürfen, denn es war etwas schwül unter den Bäumen. Jenny hatte das Anerbieten auch dankbar angenommen; als sie aber wahrnahm, daß der gute Professor den Spitzenbesatz immer nachschleppen und sich abwechselnd in Wachholder und Haidekraut verfangen ließ, bat sie sich die Mantille wieder aus.Sie sind noch gerade so wie vor vierzig Jahren, lieber Schmidt. Galant, aber mit keinem rechten Erfolge."

Ja, gnädigste Frau, diese Schuld kann ich nicht von mir abwälzen und sie war zugleich mein Schicksal. Wenn ich mit meinen Huldigungen erfolgreicher gewesen wäre, denken Sie, wie ganz anders sich mein Leben und auch das Ihrige gestaltet hätte ..."

Jenny seufzte leise.

Ja, gnädigste Frau, dann hätten sie das Märchen Ihres Lebens nie be­gonnen. Denn alles große Glück ist ein Märchen."

Alles große Glück ist ein Märchen," wiederholte Jenny langsam und ge­fühlvoll.Wie wahr, wie schön! Und sehen Sie, Wilibald, daß das beneidete Leben, das ich jetzt führe, meinem Ohr und meinem Herzen solche Worte ver­sagt, daß lange Zeiten vergehen, ehe Aussprüche von solcher poetischen Tiefe zu mir sprechen, das ist für eine Natur, wie sie mir nun 'mal geworden, ein ewig zehrender Schmerz. Und Sie sprechen dabei von Glück, Wilibald, sogar von großem Glück! Glauben Sie mir, mir, die ich dies Alles durchlebt habe, diese so viel begehrten Dinge sind werthlos für den, der sie hat. Oft, wenn ich nicht schlafen kann und mein Leben überdenke, wird es mir klar, daß das Glück, das anscheinend so viel für mich that, mich nicht die Wege geführt hat, die für mich paßten, und daß ich in einfacheren Verhältnissen und als Gattin eines in der Welt der Ideen und vor Allem auch des Idealen stehenden Mannes wahr­scheinlich glücklicher geworden wäre. Sie wissen, wie gut Treibel ist, und daß ich ein dankbares Gefühl für seine Güte habe. Trotzdem muß ich es leider aus­sprechen, es fehlt mir, meinem Manne gegenüber, jene hohe Freude der Unter­ordnung, die doch unser schönstes Glück ausmacht und so recht gleichbedeutend ist mit echter Liebe. Niemandem darf ich dergleichen sagen; aber vor Ihnen, Wilibald, mein Herz auszuschütten, ist, glaub' ich, mein schön menschliches Recht und viel­leicht sogar meine Pflicht ..."

Schmidt nickte zustimmend und sprach dann ein einfaches:Ach, Jenny . . ." mit einem Tone, drin er den ganzen Schmerz eines verfehlten Lebens zum Aus­druck zu bringen trachtete. Was ihm auch gelang. Er lauschte selber dem Klang und beglückwünschte sich im Stillen, daß er sein Spiel so gut gespielt