Heft 
(1892) 70
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Frau Jenny Treibel.

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habe. Jenny, trotz aller Klugheit, war doch eitel genug, an dasAch" ihres ehemaligen Anbeters zu glauben.

So gingen sie, schweigend und anscheinend ihren Gefühlen hingegeben, neben­einander her, bis Schmidt die Nothwendigkeit fühlte, mit irgend einer Frage das Schweigen zu brechen. Er entschied sich dabei für das alte Rettungsmittel und lenkte das Gespräch auf die Kinder.Ja, Jenny," hob er mit immer noch verschleierter Stimme an,was versäumt ist, ist versäumt. Und wer fühlte das tiefer, als ich selbst. Aber eine Frau wie Sie, die das Leben begreift, findet auch im Leben selbst ihren Trost, vor Allem in der Freude täglicher Pflicht­erfüllung. Da sind in erster Reihe die Kinder, ja, schon ein Enkelkind ist da, wie Milch und Blut, das liebe Lizzichen, und das sind dann, mein' ich, die Hülfen, daran Frauenherzen sich aufrichten müssen. Und wenn ich auch Ihnen gegenüber, theure Freundin, von einem eigentlichen Eheglücke nicht sprechen will, denn wir sind Wohl einig in dem, was Treibel ist und nicht ist, so darf ich doch sagen. Sie sind eine glückliche Mutter. Zwei Söhne sind Ihnen herangewachsen, gesund oder doch was man so gesund zu nennen Pflegt, von guter Bildung und guten Sitten. Und bedenken Sie, was allein dies Letzte heut zu Tage bedeuten will. Otto hat sich nach Neigung verheirathet und sein Herz einer schönen und reichen Dame geschenkt, die, so viel ich weiß, der Gegenstand allgemeiner Ver­ehrung ist, und Wenn ich recht berichtet bin, so bereitet sich im Hause Treibel ein zweites Verlöbniß vor, und Helenen's Schwester steht aus dem Punkte, Leo- pold's Braut zu werden ..."

Wer sagt das?" fuhr jetzt Jenny heraus, plötzlich, aus dem sentimental Schwärmerischen in den Ton ausgesprochenster Wirklichkeit verfallend.Wer sagt das?"

Schmidt gerieth, diesem erregten Tone gegenüber, in eine kleine Verlegenheit. Er hatte sich das so gedacht oder vielleicht auch 'mal etwas Aehnliches gehört und stand nun ziemlich rathlos vor der Fragewer sagt das?" Zum Glück war es damit nicht sonderlich ernsthaft gemeint, so wenig, daß Jenny, ohne eine Antwort abgewartet zu haben, mit großer Lebhaftigkeit sortfuhr:Sie können gar nicht ahnen, Freund, wie mich das Alles reizt. Das ist so die Seitens des Holzhofs beliebte Art, mir die Dinge über den Kopf weg zu nehmen. Sie, lieber Schmidt, sprechen nach, was Sie hören, aber die, die solche Dinge wie von ungefähr unter die Leute bringen, mit denen Hab' ich ernstlich ein Hühnchen zu pflücken. Es ist eine Insolenz. Und Helene mag sich vorsehen."

Aber, Jenny, liebe Freundin, Sie dürfen sich nicht so erregen. Ich habe das so hingesagt, weil ich es als selbstverständlich annahm."

Als selbstverständlich," wiederholte Jenny spöttisch, die, während sie das sagte, die Mantille wieder abriß und dem Professor über den Arm warf.Als selbstverständlich. So weit also hat es der Holzhof schon gebracht, daß die nächsten Freunde solche Verlobung als eine Selbstverständlichkeit ansehen. Es ist aber keine Selbstverständlichkeit, ganz im Gegentheil, und wenn ich mir ver­gegenwärtige, daß Otto's Alles besser wissende Frau neben ihrer Schwester Hildegard ein bloßer Schatten sein soll und ich glaub' es gern, denn sie war schon als Backfisch von einer geradezu ridikülen Überheblichkeit so muß ich