Heft 
(1892) 70
Seite
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Deutsche Rundschau.

Ein tiefes Aufathmen Leopold's war die Antwort, und sein Herz hätte jubeln mögen, in einem Gefühl von Glück und Erlösung. Denn wenn Corinna richtig las, und sie mußte richtig lesen, so war er allem Anfragen und allen damit verknüpften Aengsten überhoben, und sie sprach dann aus, was er zu sagen noch immer nicht den Muth finden konnte. Wie beseligt nahm er ihre Hand und sagte:Das können Sie nicht."

Ist es so schwer?"

Nein. Es ist eigentlich leicht. Aber leicht oder schwer, Corinna, lassen Sie mich's hören. Und ich will auch ehrlich sagen, ob Sie's getroffen haben oder nicht. Nur keine ferne Zukunft, bloß die nächste, allernächste."

Nun denn," hob Corinna schelmisch und hier und da mit besonderer Be­tonung an,was ich sehe, ist das: zunächst ein schöner Septembertag, und vor einem schönen Hause halten viele schöne Kutschen und die vorderste, mit einem Perrückenkutscher auf dem Bock und zwei Bedienten hinten, das ist eine Braut­kutsche. Der Straßendamm aber steht voller Menschen, die die Braut sehen Wollen, und nun kommt die Braut, und neben ihr schreitet ihr Bräutigam, und dieser Bräutigam ist mein Freund Leopold Treibel- Und nun fährt die Braut­kutsche, während die anderen Wagen folgen, an einem breiten, breiten Wasser- Hin ..."

Aber Corinna, Sie werden doch unsere Spree zwischen Schleuse und Jungfern­brücke nicht ein breites Wasser nennen wollen . . ."

. . . An einem breiten Wasser hin und hält endlich vor einer gothischen Kirche."

Zwölf Apostel . . ."

Und der Bräutigam steigt aus und bietet der Braut seinen Arm, und so schreitet das junge Paar der Kirche zu, drin schon die Orgel spielt und die Lichter brennen."

Und nun ..."

Und nun stehen sie vor dem Altar, und nach dem Ringewechsel wird der Segen gesprochen und ein Lied gesungen oder doch der letzte Vers. Und nun geht es wieder zurück, an demselben breiten Wasser entlang, aber nicht dem Stadthause zu, von dem sie ausgefahren waren, sondern immer weiter ins Freie, bis sie vor einer Cottage-Villa halten ..."

Ja, Corinna, so soll es sein . . ."

Bis sie vor einer Cottage-Villa halten und vor einem Triumphbogen, an dessen oberster Wölbung ein Riesenkranz hängt, und in dem Kranze leuchten die beiden Anfangsbuchstaben: I, und 8."

8 und 8?"

Ja, Leopold, 8 und 8. Und wie könnte es auch anders sein? Denn die Brautkutsche kam ja von der Uhlenhorst her und fuhr die Alster entlang und nachher die Elbe hinunter, und nun halten sie vor der Munk'schen Villa draußen in Blankenese, und 8 heißt Leopold und 8 heißt Hildegard."

Einen Augenblick überkam es Leopold wie wirkliche Verstimmung. Aber, sich rasch besinnend, gab er der vorgeblichen Seherin einen kleinen Liebesklaps und sagte:Sie sind immer dieselbe, Corinna. Und wenn der gute Nelson, der