Ein Thronerbe als Diplomat.
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in der Bildung eines Hofstaates und Hofceremoniells systematisch und sicher vor. Er wollte vergessen machen, daß sein öffentliches Auftreten Anfangs in eine wüste Schreckenszeit, später in eine Zeit gesellschaftlicher Zerfahrenheit fiel. Er wußte auch, daß die Franzosen das Glänzende lieben, und daß sie trotz der schwärmerischen Betheuerungen für Gleichheit und Freiheit doch das Gepränge als Ausdruck der Macht schätzen und einen Herrscher von allzu bürgerlicher Geschmacksrichtung verspotten. Als das Consulat zum Kaiserthum wurde, waren die Vorbereitungen für den Hof schon getroffen, die Rollen vertheilt, die Spötter und Nörgler in den Kreisen des Jakobinerthums zum Schweigen gebracht.
Man suchte sich nun eifrig über die einstigen Hofregeln zu informiren, durchforschte die alten Compendien der Rangordnung und des Ceremoniells, befragte die Höflinge und Kammerdiener aus den Zeiten des anelen röchnis. „Wie war das?" — „wie machte man das früher?" — das waren in der ersten Zeit die immer wiederkehrenden Fragen in den Gemächern des jungen Kaisertums, und da man nichts Neues erfinden konnte, glitt man unwillkürlich in die Arme der alten, einst mit so viel Haß verfolgten Etiquette zurück. Kaiserin Josephine hatte eine gute Lehrmeisterin an der Gräfin Montesson, die mit den Orleans verwandt war, mit dem Faubourg auf dem vertrautesten Fuße stand, und deren Salon ein Verbindungsglied zwischen diesem und den Tuilerien bildete. Auch die Rathschläge der Madame Campan, einstigen Kammerfrau Marie Antoinette's, neuerdings Erzieherin von Hortense Beauharnais und auch nach deren Vermählung in nahen Beziehungen zur Familie Bonaparte's, waren für die Damen d.es Hofes von Nutzen gewesen. Die Verbindungen mit der Finanzwelt, welche einst den Salon des ersten Konsuls bevölkert hatte, waren von Napoleon längst abgestreift. Der Ton dieser Kreise war theils frivol, theils unfein gewesen, und Napoleon wollte vor Allem den Principien der Wohlanständigkeit und Ehrbarkeit an seinem Hof wieder Geltung verschaffen. Wir wissen durch Frau v. Rsmusat und andere Memoirenschriftsteller, welchen Werth er vor Allem auf den äußeren Schein der Sittlichkeit legte, und wie er durch geschraubtes Wesen, eisige Kälte und lächerliche Prüderie den Geist harmloser Heiterkeit und natürlicher Grazie aus den Abendgesellschaften feiner Gattin Verbannte. Er sollte es außerdem bald erfahren, daß es leichter ist, einen Hofstaat zu bilden als eine Hofgesellschaft. Der alte Adel fand sich zwar ein, aber wohlerfahren in den Formen einer Lebensweise, die ihm anerzogen war, belächelte er höhnisch die linkischen Versuche seiner neuen Standesgenossen. Immerhin hatte sich zu dem Zeitpunkt, als der Erbprinz in diese Welt eintrat, die Umgebung des Kaisers bereits so viel Sicherheit und Routine erworben, daß dem deutschen Fürsten die innern Gegensätze nicht mehr- deutlich erkennbar wurden, und Aufwand, Glanz und Geschmack an dem Hoslager von Fontainebleau einen gewissermaßen blendenden Eindruck zu machen nicht verfehlten.
Die obersten Hosämter waren beseht durch Cardinal Fesch (Großalmosenier), Duroc (Palastmarschall), Berthier (Vice-Connetable), Montesquiou (Oberkammerherr) und Ssgur (Obereeremonienmeister). Drei Palastpräfecten LuoaY, Bausset und Saint-Didier versahen wechselweise den Dienst der heutigen Hof- marschälle, unterstützt durch einen Stab von zwanzig Kammerherren, von denen