Ein Thronerbe als Diplomat.
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Nachdem Erbprinz Friedrich Ludwig dem Palast-Marschall Duroc von Paris aus seine Anwesenheit gemeldet und eine Audienz beim Kaiser nachgesucht hatte, wurde er auf Sonntag, den 1. November nach Fontainebleau beschieden. Ueber seine Zusammenkunft mit Napoleon berichtete er seinem Vater an demselben Tage, wie folgt:
„Gegen zwölf Uhr Mittags begab ich mich aufs Schloß und ward in ein Vorzimmer geführt, in welchem sich mehrere Generale, Leute vom Hofe und andere Personen befanden, die dem Kaiser vorgestellt werden sollten. Meine Cavaliere begleiteten mich dorthin. Auch der kleine Prinz Leopold von Coburg befand sich dort. Die regierenden Fürsten sowie alle Personen, welche die Entreen haben, befanden sich in einem großen inneren Salon. Der türkische Gesandte hatte Audienz. Nachher gingen Ihre Majestäten durch zur Messe. Die Kaiserin zuerst, welcher die Großherzogin von Berg folgte; dann der Kaiser, gefolgt von den Prinzen und anwesenden fremden Souverainen.
Als der Kaiser wieder aus der Messe kam, präsentirte mich der Kammerherr vom Dienst. Der Kaiser sah sehr freundlich aus und sagte zu mir:
„„Wann sind Sie von Schwerin abgereist?""
Ich nannte ihm die Zeit.
„„Sind Sie verheirathet?""
„„Ich war es, Sire, mit der Tochter des Kaisers von Rußland.""
„„Ihr Land hat viel durch den Krieg gelitten?""
„„Ja, Sire, sehr viel, aber Ihre Güte wird es uns vergessen machen.""
Daraus wurden ihm Herr von Brandenstein, Herr von Oertzen und Herr von der Kettenburg vorgestellt. Er grüßte sie und fragte mich:
„„Herr von Brandenstein ist Staatsminister? Er gehört also zu Ihrem Gefolge?""
Hieraus ward ihm der Erbprinz von Strelitz präsentirt, welchen er auch nach der Zeit seiner Abreise fragte und nachher hinzusetzte:
„„Haben Sie Kinder?""
„„Ich bin nicht verheirathet, Sire!""
„„Sie haben also Brüder?""
„„Ja, Sire, ich habe einen.""
Hieraus ward Gras Schlitz präsentirt, dann die übrigen anwesenden Personen, denen er jedem ein paar Worte sagte und daraus in das Innere seiner Gemächer ging.
Hierauf ward im Schloßhose eine euroe von dem gestern forcirten Hirsche gemacht, was denn sehr lustig anzusehen war.
Dann begab ich mich ins Vorzimmer Ihrer Majestät der Kaiserin, wo eine Menge Menschen versammelt waren. Nach einiger Zeit ward ich ins Audienzzimmer der Kaiserin geführt, welche dort von ihrem Hofe umgeben stand. Sie nahm mich ungemein gnädig aus. Es ist nicht leicht möglich, aimabler zu sein. Sie hat viel Anstand und Würde. Wie ich herausgegangen war, wurden meine Herren herein- gerusen und präsentirt. Sie ist ganz ausnehmend artig gegen Alle gewesen.
Hieraus hatte der Erbprinz von Strelitz Audienz, nach ihm der Graf Schlitz.
Von dort gingen wir zur Großherzogin von Berg, welche ungemein artig und sehr hübsch ist; dann zum Großherzog von Berg, welcher mich sehr freundschaftlich empfing und mich sehr viel nach meinen gnädigsten Eltern srug. Der König von Westphalen war heute nicht wohl, nahm daher so wenig wie seine Gemahlin an. Beide haben mich auf morgen Mittag nach zwölf Uhr befehlen lassen. Mein Vetter und ich haben alle unsere Visiten zusammen gemacht und wurden beide zum Concert und Cercle heute Abend bei der Kaiserin eingeladen, wobei unsere Cavaliere keinen Zutritt hatten. Wir machten nun verschiedene Visiten bei den Ersten des Hofes. Beim Fürsten-Primas waren wir lange Zeit. Der Prinz Le Brun, Erz-Schatzmeister, empfing uns sehr höflich. Der Fürst von Benevent war ausgegangen, der Fürst von NeufchLtel ausgereist.