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Deutsche Rundschau.
Um Vier Uhr gingen wir zur Königin von Holland, welche, ohne gerade hübsch zu sein, sehr angenehm und selten liebenswürdig ist. Ich dankte ihr sür die gnädige Verwendung und den Antheil, den der König von Holland an unserem Unglück genommen habe. Sie aniwortete sehr gütig und setzte hinzu, wie es dem Könige sehr leid gewesen wäre, nicht mehr haben thun zu können. Wie ich noch verschiedenen anderen Personen des Hofes meinen Besuch abstatten wollte, kam ein Läufer mit einem Billet von dem auswartenden Kammerherrn, welcher mir anzeigte, daß ich um sechs Uhr mit Ihren Kaiserlichen Majestäten zu Mittag speisen sollte.
Da ich nebst allen unseren Herren beim Herrn von Champagny zu Tische eingeladen war, so ging ich zu ihm, um ihm meine Entschuldigung zu machen. Er schien diese Attention sehr zu erkennen und bat mich ans morgen zu Tische.
Um sechs Uhr begab ich mich ins Appartement der Kaiserin und ward in das Zimmer geführt, wo die Audienz stattgefunden hatte. Dort waren der Prinz Le Brun, der Marschall Moully und der Großrichter Reynier (ein sehr artiger Mann). Bald darauf kamen auch die regierende Fürstin von der Lippe-Detmold und die Königin von Holland, welche mir viel von meinen Kindern sprach und bitterlich über den Tod ihres Sohnes weinte. Dann kamen der Kaiser und die Kaiserin, und es ging zur Tasel. An der einen Seite derselben saß der Kaiser, neben ihm zur Rechten die Königin von Holland, zur Linken die Fürstin v. d. Lippe, gegenüber die Kaiserin. Rechts von dieser der Prinz Le Brun, links saß ich. Der Großrichter und der Marschall auf den beiden Ecken.
Bei Tafel sprach der Kaiser säst nur mit mir, indessen auch mit der Fürstin. Ich setze hier die verschiedenen Dinge her, welche er mir sagte, und was ich ihm antwortete:
„„Sie sind derselbe, den ich in Marienburg gesehen habe?""
„„Ja, Sire, ich habe dort das Glück gehabt, Ew. Kaiserlichen Majestät aufzuwarten." "
„„Sie lieben das Reisen? Ich glaube, Sie kommen aus Rußland?""
„„Ja, Sire, ich war dort im Sommer.""
„„Wie lange waren Sie in Petersburg?""
„„Siebzehn Tage, Sire.""
„„Der Kaiser von Rußland liebt Sie sehr; es ist säst das Erste, wovon er mit mir gesprochen hat.""
Eine tiefe Verbeugung.
„„Sie haben Kinder?""
„„Ja, Sire.""
„„Wie viele?""
„„Zwei, Ew. Majestät.""
„„Der Sohn ist der Älteste? wie alt ist er?""
„„Sieben Jahre.""
„„Und Ihre Tochter?""
„„Vier und einhalb, Ew. Majestät.""
„„Sie haben Ihre Frau recht jung verloren, wie alt war sie?""
„„Neunzehn Jahre, Sire.""
„„Sie sterben alle recht jung, diese Prinzessinnen? Die Pfalzgräfin ist ja wohl im Wochenbett gestorben?""
Ich bejahte.
„„Befindet sich die Prinzessin von Weimar wohl?""
„.Ja, Sire.""
Die Kaiserin sagte mir: „„Sie thun Wohl daran zu reisen; das wird Sie zerstreuen.""
Ich erwiderte: „„Es gibt Wunden, Madame, welche niemals heilen; vier Jahre sind seitdem vergangen, und ich fühle, daß mein Schmerz immer noch der gleiche ist.""