Heft 
(1892) 70
Seite
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Deutsche Rundschau.

Man hat dort, glaube ich, Befestigungen aufgeworfen?""

Jawohl, infolge Ew. Majestät Befehl.""

Sie haben da in dem König von Schweden einen recht unruhigen Nachbar.""

Wir haben es nur zu sehr empfunden.""

Er hat sich Pommern sehr gegen meinen Wunsch nehmen lassen.""

Haben Sie Beziehungen zum Hause Strelitz? Sein Land ist sehr viel kleiner als das Ihrige. Es hat, glaube ich, nur fünszigtausend Einwohner.""

Es macht ungefähr den sechsten Theil des Unserigen aus, Sire; aber wir gehören einer und derselben Familie an. Der erste Herzog von Strelitz war ein Prinz aus dem Schweriner Hause.""

»Ihre Linie ist also die ältere; wann hat die Trennung stattgesunden?""

»»Im Jahre 1701. Wir haben aber immer eine enge Union und eine intime Freundschaft zu einander bewahrt. Der Herzog von Strelitz, Vater des Erbprinzen, welcher Ew. Majestät heute vorgestellt worden ist, ist ein Fürst von den allergrößten Vorzügen und sehr würdig des Wohlwollens, welches Ew. Majestät ihm zu bezeigen geruht haben.""

Nachher wandte sich der Kaiser zur ganzen Gesellschaft und sagte:Die

Engländer haben Kopenhagen geräumt und die Flotte geraubt; es ist das eine ab­scheuliche That, die sie mit Schande überhäuft. Der Kronprinz von Dänemark hat die Convention niemals ratisiciren wollen. Wenn ich die Engländer bezahlt hätte, sie hätten mir nicht besser dienen können. Sie haben den Kaiser von Rußland gegen sich ausgebracht. Dänemark schließt ihnen jetzt die holsteinischen Häfen, denn sie werden sich erinnern, daß es sich früher weigerte, als ich den Blokadezustand anbefahl. Es ist das ein abscheuliches Verfahren (üorribls expeckition), ganz zwecklos, nur um Böses zu thun, und sehr unpolitisch.""

Nach der Tafel blieb man im Audienzzimmer der Kaiserin versammelt, wo der Kaiser lange sprach und sehr heiter war.

Der Cardinal Fesch kam herein, bald darauf die Großherzogin und der Groß­herzog von Berg, der Fürst-Primas, der Großherzog von Würzburg, verschiedene Marschälle, auch der Erbprinz von Strelitz, welchen der Kaiser viel nach seiner ganzen Familie fragte.

Er kam auch einmal zu mir und srug mich nochmals:Wieviel Tage waren Sie in St. Petersburg?""

Siebzehn Tage, Sire.""

Wo haben Sie gewohnt?""

Im Winterp alais.""

Ist es ein schönes Palais?""

Ja, Sire, aber ich finde es nicht so schön, wie die Paläste, die man in Frankreich sieht. Im Allgemeinen ist es nur hier, wo man so viele Meisterwerke vereinigt findet.""

Petersburg ist eine schöne Stadt, aber Wohl nicht sehr bevölkert?""

Sie scheint es vielleicht weniger zu sein wegen der außerordentlichen Breite der Straßen.""

Bald darauf ging es ins Concert. Gegenüber dem Kaiser war das Orchester, welches aus sieben Personen bestand. Es ward nichts als Vocalmusik gemacht. Es sangen die Damen Grassini und Pas, die Herren Brizzi und Crescentini. Der Kaiser und die Kaiserin hatten Fauteuils, die übrigen Herrschaften e1mis68 ü äos. Hierzu gehörte auch der Prinz Le Brun. In zwei langen Reihen auf beiden Seiten standen Tabourells, auf welchen die vielen anwesenden Damen saßen. Der Herzog von Coburg und wir Andern standen mit den übrigen Herren hinten herum.

Nach dem Concert ging es in ein anderes großes Appartement, wo Ihre Majestäten Cercle hielten. Darauf setzte sich die Kaiserin zum Spiel. Ganz allein in diesem Zimmer stand ihr Spieltisch. Alle Anderen spielten im Nebenzimmer, auf Tabourells sitzend; nur die Königin von Holland hatte einen Stuhl mit einer Lehne.