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Deutsche Rundschau.
srug den Minister: ob denn Se. Majestät keine Kenntniß von der ihm übergebenen Note genommen hätten? „„Ich weiß es nicht,"" war die Antwort, welche schließen ließ, daß Se. Excellenz vielleicht selbst der Note keinen Blick gegönnt hatten. Herr von Bosset äußerte: wie er nicht glauben könne, daß der Kaiser, welcher selber dem Herzoge den Kurhut zugedacht hätte, anjetzt denselben so weit hintenan setzen würde. „„Wie? Der Kaiser hat dem Herzog die Kurwürde gewähren wollen?"" erwiderte der Minister, „„ich wußte es nicht."" Eine seltene Un'bekanntschaft mit den Begebenheiten der letzten Zeiten. Er sagte noch: „„Es hat nicht von mir abgehangen, anders zu handeln. Ich hatte in den Vertragsentwurs die beiden Alternativen eingetragen: auf der Bank der Könige oder aus der Fürstenbank. Der Kaiser hat die erstere durchstrichen."" Herr von Bosset erwiderte, daß er nichts thnn könnte, als darüber zu berichten und vorläufig es mir anzuzeigen, welcher ich anwesend und mit der Vollmacht und dem Zutrauen meines gnädigsten Vaters beehrt sei. Als er srug, ob nicht eine Aenderung möglich sei, meinte der Minister, daß ich eine Audienz beim Kaiser fordern und dort meine Gegenvorstellung anbringen möge.
Im ersten Augenblick erschien mir alles dieses in keinem heiteren Lichte, jedoch bei näherem Nachdenken fand ich, daß es vielleicht nur mit Fleiß so angestellt sei, um nach der Ankunft des russischen Gesandten, welcher morgen hier eintrifft, etwas Mehreres thun zu können und sich dem Kaiser von Rußland gefällig zu bezeigen.
Ich glaubte, am besten zu thun und meines gnädigsten Vaters Beifall nicht zu verfehlen, wenn ich, ehe ich irgend zu einem Schritte mich entschlösse, erst den Fürsten- Primas um Rath fragte. Ich fuhr sogleich zu Sr. Hoheit, welcher mich mit seiner- gewohnten Güte aufnahm und unfern Wunsch, auf die Bank der Großherzoge gesetzt zu werden, nicht mehr als billig und gerecht fand. Nachdem wir lange über diese Sachen geredet hatten, gab er mir den Rath, nichts zu thun, ehe ich den russischen Gesandten gesprochen hätte, weil seine Verwendung von großer Wirkung sein würde. Dann möchte ich mit dem Fürsten von Benevent reden, ihm eine Abschrift der Bosset'schen Note zustellen und, wenn es dann nöthig werden würde, eine Audienz beim Kaiser begehren. Das Contingent fand er auch zu hoch angesetzt, meinte aber, daß nur in Kriegszeiten dasselbe effectiv zu halten nöthig sei; wenigstens mache er es so. Heute Abend auf dem Balle bei der Königin von Holland sagte er mir noch, wie er die Königin von Westphalen (welche wirklich meine recht gute Freundin ist) gebeten habe, mit dem Kaiser davon zu reden; auch habe er seinem Gesandten, dem Grafen Beust befohlen, allenthalben zu sagen, wie sehr es seine Meinung und sein Wunsch sei, daß uns unsere Stelle aus der königlichen Bank angewiesen werde. Die Königin von Westphalen hat mir bestimmt versichert, daß die Ankunft des russischen Gesandten von der größten Wichtigkeit sein würde, indem der Kaiser ihrem Gemahl, dem Könige, welcher schon vor drei Wochen habe abreisen wollen, befohlen habe, bis zu dessen Ankunft zu bleiben, indem erst dann die deutschen Angelegenheiten definitiv beendigt werden würden.
Heute Abend auf dem Balle kam der erste Kammerherr des Kaisers, Herr von Remusat, zu mir und dem Erbprinzen von Strelitz, um uns anzuzeigen, daß Se. Majestät der Kaiser uns die Entreen verliehen habe, daß wir also das Recht hätten, bei den Levers und Couchers Sr. Majestät zu erscheinen, und von morgen an Gebrauch davon machen könnten.
Die Kaiserin sagte mir die gnädigsten Dinge: wie der Kaiser sich in den schmeichelhaftesten Ausdrücken über mich geäußert habe; wie sie beide wünschten, daß ich hier in Fontainebleau bleiben möchte; wie sie nur fürchteten, daß ich zu schlecht logirt sei; daß, wenn ich Bücher zu haben wünschte, ich nur welche aus ihrer Bibliothek nehmen solle; daß es bei mir stände, alle Morgen von zwölf bis drei Uhr zu kommen. Sie selber würde sich immer freuen, wenn sie Gelegenheit hätte, etwas thun zu können, was unserm Lande nützlich und mir persönlich angenehm sein würde." —