Ein Thronerbe als Diplomat.
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Der Erbprinz konnte mit der Aufnahme, die er am französischen Hofe gefunden, zufrieden fein. Die fürstlichen Damen bezeigten ihm ein Wohlwollen, welches ebenso sehr ihrer Theilnahme an feinem Schicksal als dem Eindruck entsprang, den seine einnehmende Erscheinung, fein gewandtes und dabei freimüthiges Wesen hervorriefen. Der jugendliche Wittwer war augenscheinlich interessant. Er seinerseits bemerkte bald, daß hinter dem Glanz und Schimmer, der die fürstlichen Frauen umgab, Kummer und Herzeleid verborgen waren. Zwar konnte er nicht ahnen, welch' schwere Sorge auf dem Herzen Josephine's lastete, der Fouchs erst kürzlich noch in Fontainebleau das Ansinnen gestellt hatte, sich freiwillig von Napoleon zu trennen, um ihm durch eine zweite Ehe die Möglichkeit einer Vererbung des Thrones auf directe Nachkommen zu gewähren. Mit Unwillen hatte die Kaiserin die Zumuthung des intriganten Polizeiministers verworfen, der übrigens nicht, wie sie Ansangs glaubte, im Austrag Napoleon's gehandelt hatte und von ihm aufs Entschiedenste desavouirt wurde. Aber die Besorgniß, daß früher oder später doch einmal dies Opfer von ihr verlangt werden würde, lastete unaushörlich auf der Seele der geängstigten Frau und verrieth sich gelegentlich in einer tiefen Melancholie, welche sie ihrer Umgebung vergeblich zu verbergen bemüht war.
Ihre Tochter, die anmuthige und liebenswürdige Königin Hortense, war noch tief gebeugt durch den vor einigen Monaten, im Mai 1807 erfolgten Tod ihres ältesten Knaben, des sechsjährigen Prinzen Louis Napoleon Charles. Dieser Verlust hatte die beiden Ehegatten, welche sich nicht aus Neigung die Hand gereicht, einander näher gebracht. Sie waren bis zum September in einem Pyrenäenbad gewesen, hatten Südfrankreich bereist und sich erst kurz vor Eintreffen des Erbprinzen an das kaiserliche Hoflager begeben, von Wo der König allein nach dem Haag zurückgekehrt war. Königin Hortense beabsichtigte, den Winter in Paris zu verbringen, theils weil sie das holländische Klima sür die zarte Gesundheit ihres zweiten, nunmehr einzigen Sohnes für schädlich hielt, theils weil sie in der Nähe ihrer Mutter ihre Niederkunft abwarten wollte. Das Kind, dem sie am 20. April 1808 das Leben gab, war wieder ein Sohn, ward Charles Louis Napoleon getauft und sollte dereinst als Kaiser den Thron Frankreichs besteigen.
Friedrich Ludwig fühlte sich von der jungen, vierundzwanzigjährigen Königin sehr angezogen und kam im Laufe des Winters noch viel mit ihr zusammen. Wenn er sie in seinem Bericht als „nicht gerade hübsch" bezeichnet, so mögen ihr damaliger Zustand und die Nachwirkung der seelischen Leiden nach dem Tod des Kindes die sonst so reizenden Züge ihres Gesichts vertieft haben. Sonst stimmen alle Memoirenwerke jener Zeit in dem Lobe ihrer äußeren Erscheinung überein. Sie preisen ihre volle und doch zierliche Gestalt, ihre madonnenhaften Augen, den blendenden Teint und das reiche, blonde Haar, das ihr nach damaliger Sitte frei in Locken über die Schultern siel. Ebenso anmuthig und, damals wenigstens ebenso unglücklich war die gleichfalls in Fontainebleau anwesende Königin von Westphalen. Sie stand mit Königin Hortense in gleichem Alter und hatte erst kürzlich, am 23. August, dem um zwei Jahre jüngeren Jsrome widerstrebend die Hand gereicht. Ihr Vater, König Friedrich von Württemberg, hatte, gefügig