Heft 
(1892) 70
Seite
369
Einzelbild herunterladen

Ein Thronerbe als Diplomat.

369

könne er vorläufig noch nichts thun, indem der Fürst von Benevent sich weigere, von Geschäften zu reden unter dem Hinweise, daß die auswärtigen Angelegenheiten ihn nichts mehr angingen. Dies war richtig. Herr von Talleyrand hatte kurz nach der Rückkehr Napoleon's nach Paris seine Entlassung als Minister des Auswärtigen erbeten und erhalten. Um ihn aber in seine Nähe zu fesseln, hatte der Kaiser theils aus Mißtrauen, theils weil er des gelegentlichen Raths des gewandten Staatsmanns nicht entbehren wollte, die Würde eines viev ^rauck- sleeteur für ihn creirt. Der Fürst von NeufchLtel wurde gleichzeitig zum Vice- Connetable ernannt. Es waren dies angesehene und sehr einträgliche Sinecuren, doch zwangen sie ihre Inhaber, häufig bei Hof zu erscheinen. Talleyrand spricht sich in seinen Memoiren sehr offen dahin aus, daß das Motiv dieser Anstellung hauptsächlich Argwohn des Kaisers gewesen sei. Herr v. Champagny übernahm in jenen Tagen definitiv das Ministerium des Auswärtigen, welches er in den letzten Wochen schon provisorisch geführt hatte.

Den 7. November. Heute Abend bin ich endlich dazu gekommen, mit dem Fürsten von NeufchLtel zu reden und ihm über die Abberufung des Generals Laval und der übrigen Wünsche, welche vor sein Departement gehören, zu sprechen. Er war sehr freundschaftlich und bat mich, die Hauptpunkte aufznsetzen und sie ihm morgen Mittag durch den Minister Brandenstein zu schicken, welchen er zu Tische bat, um mit ihm ausführlich zu reden.

Ich habe bloß mit ein paar Worten die Sache angedeutet und werde demnächst den Bericht des Herrn von Brandenstein über die gehabte Unterredung beischließen.

Der Prinz Jdrome (doch dieses ist zur Zeit noch ein großes Geheimniß) hat heute Abend den Befehl erhalten, morgen nach Cherbourg abzureifen, man sagt zu einer besonderen Commission. Am künftigen Dienstag wird er wiederkommen und, sowie der Hof nach Paris geht, am Ende der Woche auf zehn Tage nach Stuttgart und dann nach Cassel gehen."

Den 8. November. Ich bin so glücklich, meinem gnädigsten Vater versichern zu können, daß Se. Majestät der Kaiser mich fortdauernd mit vieler Gnade behandelt. Gegen den Fürsten-Primas sind Se. Majestät auch so gnädig gewesen, sich vortheilhaft über mich zu äußern.

Für heute kann ich die angenehme Nachricht mittheilen, daß in sehr Kurzem der Bewohner meines Hauses in Schwerin, General Laval, dasselbe und die dortigen Gegenden verlassen wird."

Der Erbprinz schloß dies aus der günstigen Aufnahme, welche der Vortrag des Ministers Brandenstein beim Fürsten von NeufchLtel gefunden. Letzterer hatte versprochen, die vom Erbprinzen aufgefetzte Note dem Kaiser zu übergeben. Er hatte sich eingehend über das Verhalten Laval's und dessen Adjutanten Desmouzay in Schwerin erkundigt, ob man über sie zu klagen habe, wie viel der General vom Lande beziehe u. s. w. Brandenstein hatte erwidert, General Laval habe als Gouverneur monatlich dreihundert Pistolen Taselgelder erhalten, welche man ihm auch nach der Rückkehr des Herzogs aus Höflichkeit lassen zu

müssen geglaubt habe. Zu Klagen sei sonst kein Anlaß, die Abberufung des

Generals aber sehr erwünscht, weil seinetwegen in Schwerin noch eine französische Besatzung liege. Auf die Zurückziehung der französischen Truppen aus dem

Lande war der Marschall nicht eingegangen, auch einer Erörterung über die

Frage der Entschädigung für Naturallieferungen ausgewichen. Obwohl nach

Deutschs Rundschau. XVIII, 6. 24