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Deutsche Rundschau.
Dieses Mal hatte aber der Erbprinz doch den Werth weiblichen Einflusses unterschätzt, denn gerade durch diesen nahm seine Angelegenheit eine günstige Wendung. Einige Tage später, am 16 . November, konnte er seinem Vater melden, daß der Kaiser ein Decret unterzeichnet habe, nach welchem alle französischen Truppen Mecklenburg verlassen sollten, und nur ein Bataillon zur Besetzung Wismars und Rostocks zu verbleiben habe; auch der General Laval habe seinen Rappell bekommen.
„Diese Nachricht macht mir eine unaussprechliche Freude. Wir haben dies der Verwendung Ihrer Majestät der Kaiserin zu danken. Sie ist so gnädig gewesen, dem Kaiser eine Abschrift der kleinen Note zu zeigen, welche ich dem Fürsten von NeuschLtel eingehändigt hatte und ihm einige Details über die traurige Lage meines Vaterlandes und der so ausgezeichneten Anhänglichkeit seiner Bewohner gegen meinen gnädigsten Vater mitzutheilen. Der Kaiser ist sehr frappirt über dasjenige gewesen, was er erfahren hat, und die Kaiserin glaubt überzeugt zu sein, daß der Kaiser nicht von unserer Lage unterrichtet gewesen ist. Er hat sogleich der Kaiserin aufgetragen, mir das Oben- angesührte zu sagen und hat dann den Fürsten von NeuschLtel kommen lassen, ihm die nöthigen Befehle zu ertheilen. Gestern Abend hat der Kaiser daS Decret unterschrieben und ist heute Morgen fünf Uhr abgereist, wie man sagt nach Mailand. Einigen Nachrichten zu Folge dürfte die Abwesenheit nur zwanzig Tage, nach anderen sechs bis acht Wochen dauern. Bis zur Zurückkunst Sr. Majestät werden unsere anderen Angelegenheiten nun wohl ruhen, indessen weiß ich durch den Fürsten von Benevent, daß Se. Majestät mein an Herrn von Champagny gerichtetes Memoire erhalten haben. Es thut mir nur leid, daß mein Aufenthalt durch die Abwesenheit des Kaisers verlängert, mithin kostbarer werden wird. Ich werde sicher jede unnütze Ausgabe vermeiden oder wenigstens doch so sehr wie möglich einschränken."
Nachdem Napoleon in Begleitung Berthier's, Duroc's und Champagny's abgereist war, übersiedelte der Hof nach den Tuilerien, und Friedrich Ludwig bezog seine Pariser Wohnung. Er wurde nun in den Strudel eines großstädtischen Lebens gerissen, das durch die Bedeutung, welche Paris damals zufiel, in seiner Art einzig dastand. Die neuen Eindrücke, die es gewährte, stachen wesentlich ab von denjenigen, die er einst am Hofe Kaiser Paul's gewonnen. Wir benutzen die Unterbrechung in den diplomatischen Verhandlungen, welche durch des Kaisers zeitweilige Abwesenheit veranlaßt wurde, dazu, die Mittheilungen des Erbprinzen über das gesellschaftliche Leben hier zu einem Bilde zu vereinigen. Die in seinen Berichten verstreut vorkommenden Einzelheiten würden in ihrer aphoristischen Form den Leser ermüden und mögen daher hier in Kürze zusammengefaßt werden.
An Anregung der mannigfachsten Art fehlte es nicht. Dem deutschen Prinzen, der von dem Kaiserpaar auf so augenfällige Weise ausgezeichnet wurde, standen natürlich alle Salons offen. Paris War nicht nur der Mittelpunkt der europäischen Politik, es war auch der Sammelplatz aller wissenschaftlichen und künstlerischen Berühmtheiten, das Depot der Sammlungen und seltenen Kunst- fchätze, welche der Eroberer aus den verschiedenen Theilen Europas hierher geschleppt hatte. Der Erbprinz hatte ein reges Interesse für die bildende Kunst und durchwanderte oft mit seinen Herren die Säle der Galerien. Freilich überkam ihn ein Gefühl der Bitterkeit, wenn er unter den Gemälden „die wohl- bekannten Freunde aus Ludwigslust" antraf. Allein bei dem raschen Wechsel der Eindrücke konnten solche Stimmungen nicht lange hasten.