Heft 
(1892) 70
Seite
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Ein Thronerbe als Diplomat.

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Die gesellschaftliche Saison war im Winter 1807/8 besonders glänzend. In Fontainebleau hatte Friedrich Ludwig nur den französischen Hof kennen gelernt; jetzt erschlossen sich ihm auch die Kreise der aristokratischen und officiellen, der Finanz- und Lebewelt. Die Empfänge in den Tuilerien waren zahlreich und boten oft ein seltsames Gemisch von Gästen. Fremde Fürsten, vornehme Touristen, auswärtige Gelehrte und Künstler, daneben auch Speculanten und Abenteurer drängten sich heran. Nicht minder auffallend war die Mischung der gesellschaft­lichen Gruppen in den verschiedenen Salons der Hauptstadt, die sich allabendlich den Gästen öffneten. Auch dort sah man, wie am Hofe, neben den Marschällen, Ministern und Diplomaten bereits wieder die Träger altaristokratischer Namen, neben den neuen Herzogen und Baronen auch die Grafen und Marquis des aneion rsAimo. Nur der Clerus, der in der Pariser Gesellschaft einst eine so große Rolle gespielt, hatte das Terrain noch nicht zurückerobert; dieCalottiers" blieben unter dem Kaiserreich ebenso unbeliebt, wie sie es unter dem Directoire gewesen. Herrschte auch in den Salons der Metropole nicht mehr jener Ton der Anmuth und Ungezwungenheit, welcher vormals der Welt als das Muster heiterer Geselligkeit gegolten; lag auch in diesem Zusammentreffen heterogener, sich mißtrauisch beobachtender Elemente etwas Erzwungenes, Gekünsteltes, so fanden doch Neugier und Schaulust in der Pracht der Räume, in dem Glanz der Toiletten und Uniformen volle Befriedigung. Die neuen Marquisen hatten ebenso schöne Diamanten wie die alten und oft noch schönere Augen. Bei den Empsangstagen der Großwürdenträger und Ambassadeurs waren die Säle so gefüllt, daß man sich nur mühsam durchdrängen konnte. Die Meisten verließen ihren in der langsam vorrückenden Reihe haltenden Wagen gewöhnlich hundert Schritt vor dem Hotel, begaben sich zu Fuß dorthin, begrüßten die Dame des Hauses, verweilten zehn Minuten in der Gesellschaft und trafen dann wieder im Vestibül gerade rechtzeitig ein, um den nun vorfahrenden Wagen wieder zu be­steigen und nach einem andern Hotel zu fahren, wo sich der Vorgang wiederholte. In allen großen Häusern war täglich offene Tafel für die näheren Freunde. Der Erbprinz hatte eine stehende Einladung beim Minister des Auswärtigen und den Botschaftern. Er speiste fast nie zu Hause, hielt aber Tafel für sein Gefolge.

Der Verkehr in den Straßen war sehr erschwert durch die ungeheuere Bau- thätigkeit, die der Kaiser gerade in jener Zeit entfaltete und die dem König von Württemberg auf Napoleon's Frage, wie ihm Paris vorkomme, die Antwort entlockte:Oomme uns villo priso ä'assaut par äos areüitoetos." Große Häuser­quadrate wurden demolirt, neue Straßen durchgebrochen; überall erstanden Paläste, Triumphbogen, Hallen, Brücken. Diese Monumente, deren Kosten mit den Contributionen und außerordentlichen Einkünften aus den Domänen occupirter Gebiete bestritten wurden, schmeichelten ebenso sehr der nationalen Eitelkeit, als sie den Ruhm ihres Erbauers verewigten. Kehrte Napoleon als siegreicher Cäsar von einem Kriegszuge zurück, so liebte er, daheim den Augustus zu spielen. Während die Völker Europas Mühe hatten, ihre Wunden zu heilen, blühten in der französischen Hauptstadt die Künste des Friedens. Ein wissenschaftliches Institut nach dem andern erstand, und Alexander von Humboldt, der gerade damals in der Begleitung des Prinzen Wilhelm von Preußen nach Paris kam.