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Deutsche Rundschau.
konnte diese Stadt mit Recht für den einzigen Ort erklären, in welchem wissenschaftliche Arbeiten die mächtigste Anregung und wirksamste Förderung fänden. Er wählte sie daher auch zu dauerndem Aufenthalt. Am wissenschaftlichen Himmel glänzten die Namen Cuvier, Laplace, Arago, Gay-Lussac, Lamarck, Biot, Bonpland, Berthollet u. A. Mit den Berühmtheiten der wissenschaftlichem und politischen Welt kam der Erbprinz während seines siebenmonatlichen Aufenthalts vielfach in persönliche Berührung, und als Mann von Geist und Bildung wußte er Nutzen daraus zu ziehen. Zu seinem intimen Verkehr gehörten, neben den französischen Staatsmännern, vor Allem der Fürst-Primas Dalberg, der Prinz Wilhelm von Preußen, die Herzoge von Oldenburg und von Arenberg, der Erbprinz von Strelitz, der Botschafter Graf Tolstoi u. A. Besonderer Erwähnung geschieht in den Berichten der bekannten Neigung Napoleon's, Ehen zu stiften, durch welche er seinen Anhang in engere Verbindung zu vornehmen Geschlechtern zu bringen suchte. Der Imperator verfuhr hierbei sehr rücksichtslos und kategorisch. So mußte Marschall Berthier, Fürst von Neufchatel sich mit der Tochter des Herzogs von Bayern-Birkenfeld vermählen, zuvor aber auf allerhöchsten Befehl mit seiner schönen Freundin Mme Visconti brechen, was zu thun er sich lange geweigert hatte. Anfangs Februar 1808 wurde die Vermählung des Herzogs von Arenberg mit der Demoiselle Stephanie Lascher, einer Cousine der Kaiserin, und bald darauf die des Erbprinzen von Hohenzollern mit Demoiselle Antoinette Bonafou, einer Nichte Murat's, mit großer Pracht am kaiserlichen Hof gefeiert.
Stephanie Lascher war Pathenkind Josephine's und sehr umworben gewesen. Die Marschälle Duroc und Rapp, Fürst Pignatelli und ganz kürzlich noch der spanische Thronerbe, Prinz von Asturien, hatten ihre Hand begehrt. Napoleon aber, der schon damals die Absetzung der spanischen Bourbons im Schilde führte, zog die Verbindung mit dem vornehmen belgischen Haus der Arenberg vor. Der junge Herzog war Oberst und Regimentscommandeur im französischen Heere. Die Hochzeitsfeier, bei welcher das Kaiserpaar die Rolle der Eltern der Braut übernahm, fand im Palais der Königin Hortense statt.
Auch dem Erbprinzen scheint eine ähnliche Verbindung zugemuthet worden zu sein. In einem Briefe des Ministers von Plessen räth dieser, einem solchen Antrag womöglich durch eine „feine Wendung" auszuweichen oder, wenn derselbe nicht zu vermeiden wäre, zu erklären, daß das Andenken an seine verstorbene Gemahlin noch zu lebhaft sei, um sich zu einer zweiten Verbindung schon jetzt entschließen zu können. Wie diese Angelegenheit weiter verlief, läßt sich aus der uns vorliegenden Correspondenz nicht ersehen, da nach einer gelegentlichen Bemerkung die späteren, darüber ausgetauschten Briefe verbrannt werden sollten.
Das Scheinleben und Ränkespiel am Hofe, das gewaltthätige Auftreten Napoleows, die sklavische Unterwürfigkeit seiner Umgebung entgingen dem Prinzen nicht. Aber das geschäftige Treiben in diesem politischen Centrum fesselte doch fortgesetzt seine Aufmerksamkeit. Aus allen Theilen der Welt trafen hier die Fäden zusammen. Jeder Tag brachte neue Begebenheiten, neue Gerüchte, neue Dementis. „Es ist interessant," schrieb Friedrich Ludwig, „im Stillen so manchen