Heft 
(1892) 70
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Ein Thronerbe als Diplomat.

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Dingen zu folgen. Welche die hiesigen Köpfe beschäftigen, und die verschiedene Verhaltungsart zu beobachten, je nachdem der Barometer der kaiserlichen Laune steigt oder fällt. Diese Wahrnehmung vermehrt übrigens nicht die Achtung vor dem menschlichen Geschlecht. Doch solcher Gedanken muß man sich entschlagen, wenn einen das Schicksal in die große Welt geworfen hat!"-

Wir kehren nach dieser Abschweifung zu dem eigentlichen Gegenstand der Mission des Erbprinzen zurück. Während der Abwesenheit des Kaisers waren die Verhandlungen ins Stocken gerathen. Friedrich Ludwig blieb aber bemüht, das Terrain für deren Wiederaufnahme vorzubereiten. Nachdem der eine Punkt, die Räumung des Landes, glücklich erreicht war, blieben noch drei Forderungen übrig: Erlangung der großherzoglichen Würde, Ermäßigung des zu stellenden Kontingents und Entschädigung für die erlittenen Verluste. Es mag befremdlich erscheinen, daß der Herzog zu einer Zeit, wo dem erschöpften Lande materielle Zuwendungen am Nützlichsten erschienen, zugleich nach einer Rangerhöhung Ver­langen trug, der. wie Champagny richtig bemerkt hatte, die militärische Leistungs­fähigkeit Mecklenburgs nicht entsprach. Warum eine Stellung einnehmen wollen, die einen größeren Aufwand erheischte, und zu deren Behauptung die Mittel nicht vorhanden waren? Wären es nur Ehrgeiz und Eitelkeit gewesen, die zu jenem Ziel drängten, so war dies Streben wenig gerechtfertigt und keiner Be­rücksichtigung Werth. Eitelkeit lag aber gar nicht im Charakter Friedrich Franzh der sein Land fast nie verließ, in seinen Lebensgewohnheiten keinem übertriebenen Luxus huldigte und somit wenig Gelegenheit gehabt hätte, den erhöhten Rang im Verkehr mit andern Fürsten zu verwerthen. Die eigentlichen Motive waren vielmehr rein praktischer Art. Einmal gewährte, wie wir schon oben erwähnt haben, der erhöhte Rang auch eine politische Machterweiterung; sodann stärkte er die Kreditfähigkeit des Hauses, und darauf kam es in jener Zeit finanzieller Bedrängniß wesentlich an.

Hieraus erklärt sich, warum der Erbprinz in den nächsten Monaten gerade diese Forderung mit ganz besonderem Eifer betrieb. Die andere, die der Ent­schädigung durch Geld oder Gebiet, schien ihm schon damals schwieriger durch­zubringen.Baares Geld zu erhalten," schrieb er,ist eine physische Unmöglich­keit, da hier keines vorhanden ist." Einem Gebietszuwachs, etwa durch Schwedisch - Pommern oder Lauenburg, wären die Pariser Staatsmänner principiell nicht abgeneigt gewesen, denn solche Abtretungen waren an der Tages­ordnung. Aber Napoleon wollte diese Compensationsobjecte vorläufig nicht aus der Hand geben, ehe nicht der Frieden mit England geschlossen. Vielleicht schwebte ihm schon damals die Einverleibung der unteren Elbstaaten vor. Gewiß ist, daß die von König Jerome gehoffte Zutheilung Lauenburgs deshalb nicht erfolgte, weil der seit 1803 das Herzogthum verwaltende Intendant, Herr D'Aubignosc, bald nach der Begründung des Königreichs Westfalen ein Memoire nach Paris geschickt hatte, welches Graf Daru dem Kaiser vorlegte und dem dieser große Beachtung schenkte. In dieser Denkschrift war auf die Lage des kleinen Herzogthums hingewiesen, welches mit beiden Spitzen an die Gebiete von Hamburg und Lübeck reichte und durch Vereinigung mit beiden die Ost- und