Heft 
(1892) 70
Seite
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Deutsche Rundschau.

Nordsee berühren würde. Die Wichtigkeit eines solchen Besitzes war auseinander­gesetzt und auf den ersten Blick sehr einleuchtend.

Wie dem auch sein mochte, immer waren die Aeußerungen Napoleon's aus­weichend, sobald der Erbprinz die Rede auf eine Gebietsentschädigung brachte. Hier konnte nur der Einfluß Rußlands eine günstigere Wendung bewirken; aber Kaiser Alexander glaubte, bei aller Freundschaft für seinen Schwager, doch vor­läufig genug gethan zu haben. Er beantwortete dessen Schreiben in freundlichem Sinne, enthielt sich aber einer Pression auf die französische Regierung. Friedrich Ludwig war darüber verstimmt.

Die von Herrn von Tallehrand ausgesprochene und auch vom Erbprinzen ge­teilte Ansicht, daß Mecklenburg sich ganz unter die Fittige Rußlands stellen möge, wurde übrigens in Schwerin keineswegs getheilt. Namentlich war es der staatskluge Minister von Plessen, ein Mann von ungewöhnlichem politischen Scharfblick, der die darin liegenden Gefahren sofort erkannte. Plessen war in allen Fragen der auswärtigen Politik der eigentliche Berather seines Fürsten. Seit dem Juni 1807 bekleidete er bei demselben die eigens für ihn geschaffene Stellung eines Cabinetsministers, wohnte in Ludwigslust, während der Sitz der Regierung sich nach wie vor in Schwerin befand, und hatte täglichen Vortrag beim Herzog. Dieser schätzte ihn persönlich, schenkte ihm ein unbedingtes Ver­trauen und bevorzugte ihn in einer Weise, welche den leitenden Minister, Grafen Baffewitz, oft und nicht ohne Grund verstimmte. Allmälig bildete sich, wenn auch nicht amtlich organisirt, so doch durch die tägliche Praxis, eine Geschäfts- theilung heraus, nach welcher dem Grafen Bassewitz die Leitung der inneren, Herrn von Plessen die der auswärtigen Angelegenheiten zufiel. Plessen unter­hielt mit dem Erbprinzen eine rege und umfängliche Korrespondenz, die einen sehr vertraulichen Charakter hatte. Er war schon damals und wurde später noch mehr die Vertrauensperson, an welche sich die jüngeren Mitglieder der herzoglichen Familie mit der Bitte um Rath oder Vermittelung wandten, wenn, was nicht selten geschah, Conflicte oder Verstimmungen zwischen ihnen und dem Chef des Hauses eintraten. Friedrich Franz führte ein strenges Haus­regiment. auch seinen erwachsenen Söhnen gegenüber, hielt sie knapp, war in Geldsachen sehr schwierig und zum Argwohn geneigt. Sein Verhältniß zum Thronfolger hatte schon häufig unter einem, übrigens völlig unbegründeten Mißtrauen gelitten. Plessen vermittelte dabei mit Tact und Erfolg. Jetzt, in der Rheinbundsfrage, war dazu freilich kein Anlaß und der Herzog mit dem Verhalten seines Sohnes durchaus zufrieden; aber Plessen besorgte, daß der Erb­prinz bei seiner schwärmerischen Verehrung für den Zaren und seiner arglosen, durch die Freundlichkeiten Napoleon's leicht zu gewinnenden Gemüthsart doch die kühle und nüchterne Beobachtung verlieren könnte, welche die Lage erheischte. Er hatte daher schon am 3. December 1807, gleich nach Eintreffen des ersten geheimen Berichts über die Aeußerungen Talleyrand's und Ehampagny's ge­schrieben :

Man will uns ganz auf Rußlands Seite stellen, und das gerade in einem Augen­blicke, wo wir durch den erklärten Beitritt zum Rheinbunde nur der Alliirte Frank­reichs allein werden und demselben unsere Kräfte widmen sollen. Wir müssen daher