Heft 
(1892) 70
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Deutsche Rundschau.

Die Audienz, auf welche der Prinz nunmehr alle Hoffnung setzte, wurde durch ein unerwartetes Ereigniß verschoben, welches ihn auss Tiefste erschütterte. Am 12. Januar erhielt er die Nachricht von dem am Neujahrstage erfolgten Ableben seiner Mutter. Die Herzogin erlag einem Herzleiden, an dem sie schon längere Zeit litt und welches durch die Aufregungen des letzten Jahres beträcht­lich gesteigert war. Dennoch hatte ihr Zustand bei der Abreise des Erbprinzen nichts Bedrohliches gehabt, auch ließen die letzten Nachrichten aus der Heimath eine so plötzliche Verschlimmerung in keiner Weise besorgen. Friedrich Ludwig hing mit großer Zärtlichkeit an seine Mutter. Er bewies ihr um so mehr Liebe und Rücksicht, als es ihr daran von Seiten des Herzogs, ihres Gemahls, häufig gefehlt zu haben scheint. Wenigstens deuten verschiedene Anzeichen aus ein ziemlich kühles Verhältniß der beiden Ehegatten. Der Erbprinz hatte seit seiner Ankunft in Paris fast mit jedem Posttage an seine Mutter geschrieben und ihr seine Eindrücke und Erlebnisse ausführlich geschildert. Da diese Briefe eine Wiederholung des hier bereits Mitgetheilten enthalten, so heben wir aus der großen Zahl nur einen zur Charakteristik der Betheiligten heraus. Eigen- thümlicher Weise ist die ganze Correspondenz französisch geführt, wie denn über­haupt alle weiblichen Mitglieder des herzoglichen Hauses sich im brieflichen Ver­kehr stets dieser Sprache bedient zu haben scheinen, während die Correspondenz des Herzogs mit seinen Söhnen deutsch geführt wurde. Das Schreiben lautet in deutscher Uebersetzung:

Paris, den 20. December 1807.

Meine liebste Mutter! Ich übergebe der Post heute eine Kiste und beeile mich, Sie davon in Kenntniß zu setzen. Sie enthält das prächtige Mosaikkästchen, welches die Kaiserin Josephine Ihnen übersendet, und welches sie mit den freundlichsten und verbindlichsten Grüßen für Sie begleitet. In der Kiste befinden sich außerdem das schöne goldene, mit Diamanten besetzte Schreibzeug und die beiden Schreibcassetten, welche die Kaiserin für meinen Sohn bestimmt hat, und die ich ihm zu übergeben bitte. Der liebe Kleine wird eine rechte Freude an den drei schönen Geschenken haben, und ich genieße diese Freude im Voraus mit.

Gestatten Sie mir, Ihnen hier meine zärtlichsten und ehrerbietigsten Glückwünsche zum bevorstehenden neuen Jahre darzubringen. Sie kennen das Herz Ihres Sohnes, theuerste Mutter! Sie wissen, daß es stets von Gott die reichsten Segnungen des Himmels für Sie erfleht! Möchten meine Gebete erhört werden! Meine Gesundheit, ebenso wie die der mich umgebenden Personen, ist fortdauernd gut. Man treibt in der hiesigen Gesellschaft sehr viel Musik, namentlich an den verschiedenen Höfen. Ich höre täglich sehr gute, und zwar singt man meistens zum Clavier ohne weitere Instrumentalbegleitung ein Genre des Vortrages, das ich, wie Sie wissen, bevor­zuge. Ich denke dann sehr oft an meine gute, liebe Mutter und möchte sie an dem Entzücken theilnehmen lassen, das diese herrlichen Stimmen in mir Hervorrufen.

Da der Kaiser bald zurückkehrt, hoffe ich, daß unsere Angelegenheiten etwas mehr von der Stelle rücken werden, und daß ich alsdann den Zeitpunkt meiner Heimkehr nach Mecklenburg werde bestimmen können, ein Zeitpunkt, nach dem ich mich von Herzen sehne. Dennoch darf ich nicht allzu fest darauf rechnen, denn der Himmel weiß, wie langsam hier Alles geht, wenn es sich darum handelt, Etwas zu geben; im entgegengesetzten Fall pflegt aber gewöhnlich Alles sehr rasch zu gehen.

Bitte, legen Sie mich meinem geliebten Vater zu Füßen und sprechen Sie ihm von meiner Verehrung und kindlichen Liebe. An seinem Geburtstage (10. December) versammelten wir uns bei der Fürstin Taxis und tranken begeistert auf seine Gesundheit.