Heft 
(1892) 70
Seite
384
Einzelbild herunterladen

384

Deutsche Rundschau.

an der Hoffnung eines Erfolges festzuhalten. Ein fehr unangenehmer Zwischen­fall drohte außerdem die Stellung Friedrich Ludwig's am Pariser Hofe nach­theilig zu beeinflussen. Die dortige Regierung hatte durch einen ihrer zahlreichen Kundschafter die Anzeige erhalten, daß ein englisches Schiff in Wismar einge­laufen sei und seine Maaren heimlich an Land geschafft habe. Auf die mecklen­burgischen Behörden fiel der Verdacht der Connivenz oder doch stillschweigenden Duldung. In Allem, was die Kontinentalsperre betraf, kannte Napoleon keine Schonung. Er verfolgte jede llebertretung seiner Decrete mit unerbittlicher Strenge. Seine Beamten wußten es und zitterten bei dem Gedanken, daß sie aus einer Nachlässigkeit ertappt werden könnten.O! er ist schrecklich, der Kaiser Sie ahnen es nicht, er ist fürchterlich!" sagte einmal bleich und mit aufgehobenen Händen ein hoher Douanenbeamter, Großwürdenträger und in seinem Reffort allmächtiger Mann in Hamburg, zu einem fremden Diplomaten, als dieser im Auftrag seines Hofes um eine kleine Ermäßigung, eine sogenannte Licenz nach­suchte und die Ablehnung derselben nicht begreifen konnte.

Neben der schonungslosen Härte, mit welcher die Controle des Blokadesystems gehandhabt wurde, ging die Bestechlichkeit und Speculationswuth der französischen Beamten einher. Hamburg war der Hauptsitz dieses Ausbeutungssystems. In den 1880 erschienenen Lebenserinnerungen des 1808 in Hamburg residirenden dänischen Gesandten Rist heißt es:Das Treiben der französischen Douane und Gesandtschaft lief daraus hinaus, den Kaiser ohne Scham und Gram zu betrügen, die Nachbarn möglichst zu placken und Alles, was ihnen nicht opferte, nach besten Kräften zu schinden. Da gab es denn tägliche Anstöße und Anschuldigungen. Blind und taub war der Gehorsam gegen den Minister de Sussi, der, wie man wußte, von allen seinen Kollegen den größten Einfluß auf den Kaiser besaß. Auch der äireetaur äos äouanes, Herr Eudel, War ein Heuchler, der nur mit großer Vorsicht und weniger frech als die Anderen, den Kaiser und das Conti- nentalsystem betrog. Bourienne hat Millionen in Hamburg gesammelt durch seine Transactionen mit dem Handel, und Eudel ist wie ein reicher Mann in sein Vaterland zurückgekehrt. Freilich wanderte auch ein Theil der Beute nach Paris, wo vielleicht nur der Kaiser nicht bestochen war."

Die Licenzen, welche sehr willkürlich ertheilt wurden, führten indessen auch der Schatulle enorme Beträge zu. Das ganze Sperrsystem hatte überhaupt neben dem offenkundigen noch seinen geheimen Zweck. Es ist längst erwiesen, daß jene Maßregel, wenn sie auch anfänglich gegen Englands Handel und seine Wohl­fahrt gerichtet war, später doch wesentlich dazu diente, dem großen Schlund der französischen Verwaltung außerordentliche Einnahmen zu schaffen und den Kaiser zum Monopolisten des auswärtigen Handels für sein ganzes Reich zu machen.

Als die Nachricht von der in Wismar angeblich erfolgten Defraudation in Paris bekannt wurde, sie erschien von einer ernsten Warnung begleitet im Moniteur" geriethen der Erbprinz und seine Freunde in nicht geringe Be­stürzung. Dieser Vorgang konnte die schlimmsten Folgen haben. Napoleon hatte sogleich den Marschall Soult, der jetzt an Ponte CorveLs Stelle in Hamburg commandirte, angewiesen, ein französisches Bataillon nach Wismar zu legen. Er ließ durch seinen Gesandten Bourienne eine scharfe Note nach Schwerin richten