Heft 
(1892) 70
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Deutsche Rundschau.

niatisch zu bestimmen, und er veröffentlichte seine Ergebnisse in der Abhandlung von der Erhaltung der Kraft. Das Weltall erschien ihm ausgestattet mit einem Vorrath von Energie, die durch allen Wechsel der Naturprocesse weder vermehrt noch vermindert wird; alle Veränderungen sind nur wechselnde Erscheinungs­formen dieses Vorrathes von Energie: hier erscheint ein Theil desselben als lebendige Kraft bewegter Masten, dort als regelmäßige Oscillation von Licht und Schall, dann wieder als Wärme, als chemische Anziehung, elektrische Ladung und magnetische Vertheilung.

So ist uns der gesetzliche Zusammenhang des Universums viel klarer ge­worden, indem die philosophische Betrachtung ihre experimentelle Bestätigung fand, und ich verstehe es nicht, daß hier der alte Streit zwischen Deduction und Jnduction sich wieder erhebt, da doch beides wie Aus- und Einathmen zusammen­gehört. Die Empiriker hatten hier eine Idee, nach welcher sie Beobachtung und Experiment richteten, und die Erfahrungen des Thatsächlichen erschienen als Ausdruck eines Gesetzes und Begriffs; wo aber die Wahrnehmung des Wirklichen mit dem Denknothwendigen zusammenstimmt, da haben wir wissenschaftliche Wahrheit. Ideen sind so lange Gedankendichtungen, bis sie in den Thatsachen nachgewiesen werden; Thatsachen sind zunächst nur vereinzelte Sinneseindrücke, bis sie, in gesetzlichem Zusammenhang ausgefaßt, als Verwirklichungen eines Begriffes begriffen werden. Wirklich sind ja auch in der That weder begriffliche Allgemeinheiten noch für sich allein seiende Einzeldinge; wirklich ist überall nur das Concrete, ein Individuelles mit gattungsmäßigem Typus, eingegliedert in den Weltzusammenhang und sein Gesetz.

Robert Mayer und Helmholtz ließen in ihrer Darstellung den Dualismus von Kraft und Materie bestehen; ich gehe einen Schritt weiter und sage: nicht eine gleiche Summe von Materie und von Bewegung ist vorhanden, sondern die gleiche Fülle ursprünglich auf einander bezogener Kräfte, die in ihrem Wechsel­spiel die Welt bilden. Die Materie selbst ist ein Phänomen der Kraft. Wir erschließen sie aus den auf uns wirkenden Kräften der Natur, und statt den Stoff mit Kräften wie mit Häkchen auszurüsten, ihm Anziehung und Abstoßung an- zuhesten, sehe ich in Anziehung und Abstoßung vielmehr die Ursache für ein im Raum ausgedehntes und zusammenhängendes materielles Dasein. Die Unzerstör­barkeit der Materie ist bedingt durch die Thätigkeit sich selbst behauptender Kräfte, und je mehr die Mechanik alles Geschehene als Bewegung darstellt, desto nothwendiger sind ihr die Quellen und Träger der Bewegung; denn Bewegung ist für sich nicht vorstellbar ohne die Thätigkeit des Bewegenden oder Bewegten, und so ist die Bewegung nicht ein Mittleres zwischen den Dingen, sondern die Bethätigung der Kräfte selbst: das Sein ist Thätigkeit. Wenn die Weltkörper sich anziehen nach dem Verhältniß der Masse, so ist diese Masse eben bedingt durch die größere oder kleinere Menge der wirkenden Kräfte, die sie bilden. Der Dualismus von Materie und Bewegung löst sich in den Monismus der lebendigen Thätigkeit, der sich bald in Spannkräften, bald in Bewegungen dar­stellt und in der Metamorphose mannigfaltiger Erscheinungen sich als das Eine erweist, das in Allem sich entfaltet. T aus diesem obersten Denkgesetze

der Identität folgt, daß das Sein in seiner Einheit besteht, daß jede Veränderung