Das Wachsthum der Energie in der geistigen und organischen Welt.
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eine Ursache hat, die ihr gewachsen ist, die in der Wirkung fortdauert, und so ergibt sich die Erhaltung der Energie als eine denknothwendige Vernunftwahrheit, die nun auch von der Erfahrung aus ihre Bestätigung empfängt.
So bewährt sich uns bei diesem Wechselspiel der Kräfte im Universum der Ausspruch Goethe's, zu dem der Dichter die bekannte Stelle vom Gedankenproceß im Faust umgebildet hat:
So schauet mit bescheidnem Blick Der ewigen Weberin Meisterstück,
Wo ein Tritt tausend Fäden regt,
Die Schifflein herüber hinüber schießen,
Die Fäden sich begegnend fließen,
Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt.
Das hat sie nicht zusammengebettelt,
Das hat sie von Ewigkeit angezettelt.
Damit der ewige Meistermann Getrost den Einschlag werfen kann.
Ja Wohl, dieser in sich geschlossene, sich rastlos bewegende Mechanismus der anorganischen Natur ist die nothwendige Grundlage für das Wirken des Geistes, für den Aufgang des organischen Lebens, — die Außenwelt einer Innenwelt, der sich selbst erfassenden, fühlenden, wollenden und denkenden Subjectivität, und in dieser Innenwelt haben wir ein Wachsthum, eine Steigerung der Energie, die sich dann auch in der Außenwelt selbst , in der Fortbildung der Organismen zu immer höheren Formen des Lebens offenbart. Ich habe im Buch von der sittlichen Weltordnung es als Unterschied von Geist und Natur bezeichnet: daß dort die Energie wächst, hier sich erhält; ich finde den Grund der aufsteigenden Reihe der Organismen von innen her bedingt durch die Steigerung der Energie in der Innenwelt.
Das unmittelbar und unleugbar Gewisse ist uns unsere Innenwelt, unser Fühlen, Denken und Wollen, woraus wir ja die Außenwelt nach dem Kausalgesetz erschließen, und an uns selbst erleben wir das Wachsthum unserer Kraft; aus unserem Wesenkern entfalten wir unsere Anlagen zu höherer Thätigkeit; wir lernen sprechen, unsre Triebe zügeln, erheben uns zum Selbst- und Weltbewußtsein, zur Selbstherrlichkeit und Freiheit- Wir stehen nicht für uns allein, wir entwickeln uns im Zusammenhang nicht bloß mit unseren Zeitgenossen, sondern auch mit der Vorzeit; wir eignen in der Sprache den im Laufe von Jahrtausenden erarbeiteten Gedankenschatz des Volkes uns an, und wissenschaftliche Leistungen, die das Werk genialer Männer waren, lernen die Knaben in der Schule, um mit denselben fortzuwirken. Dem Kreislauf der Natur steht der Fortschritt der Geschichte zur Seite, oder lieber: er erhebt sich über jene, die seine Grundlage bildet, und wie groß auch die Schöpfermacht des Geistes, wie unübertroffen sie als solche in einem Aristoteles oder Platon, Archimedes oder Hipparch war, leugnen läßt sich nicht, daß heute neue und höhere Probleme gelöst werden, und daß die Bildung nicht an Athen oder Alexandrien geknüpft, sondern über Welttheile ausgebreitet ist, und Millionen haben Antheil daran. Von der Wildheit zur Gesittung, von der Natur zur Kultur zeigt sich ein Emporgang in der Menschheit. Und wenn in früheren geologischen Perioden die orga-