Das Wachsthum der Energie in der geistigen und organischen Welt.
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durch ihn empfinden und wirken; sie ist der einheitliche Wesenkern, der in allem Wechsel und aller Fülle der Lebensacte sich selbst erfaßt, sich erhält, das einmal Errungene behält und dadurch im Geistigen das Wachsthum und die Steigerung der Energie vollbringt, welche nicht bloß die geistige, sondern auch die organische Welt von der anorganischen Natur unterscheidet.
Hier eröffnet sich uns der Blick in den Emporgang des Lebens nicht bloß in der Geschichte, sondern auch in der organischen Natur. Von den einfachsten Protisten, von den Zellen erheben wir uns zum Menschen, zu seinem vielgliedrigen Organismus. In der Zelle lebt als Trieb und Empfindung, also von innen bedingt, was als Abstoßung und Anziehung im anorganischen Reich erscheint. Empfänglichkeit für äußere Eindrücke, Ernährung und Fortpflanzung bekunden, daß schon hier das Getriebe der Welt durch Hunger und Liebe erhalten wird. Ganz allmälig, im stetigen Zusammenhang der Entwicklung, tritt Unterscheidung, Gliederung. Arbeitsteilung ein; aus der innern Anlage gehen die Organe hervor, welche unter dem Einfluß der äußeren Eindrücke die Lebensbeziehungen vervielfältigen. Das einmal Gewonnene wird behalten, die Kräfte wachsen durch Uebung, und die Organe selbst vollziehen wiederholte Bewegungen um so leichter, wie wir beim Lesen nicht mehr zu buchstabiren brauchen, und mit dem Bilde des Wortes sogleich auch seine Bedeutung uns klar ist. Aber wie wir dies durch eigne Thätigkeit lernen müssen, so ist der Organismus Selbstbildung, und wie wir ein Buch nur dadurch lesend verstehen, weil wir uns im Buchstabiren und Denken geübt haben, so vermögen wir das selbstbewußt geistige Leben in unserm Organismus nur darum zu führen, weil wir den Herzschlag oder die Verdauung nicht beständig wollend und denkend zu bestimmen brauchen.
Wundt hat solcher Mechanisirungen nun in seinem System der Philosophie die verdiente Beachtung gewidmet. Alles Zweckmäßige leitet er von Willenserweisungen ab, die durch Einübung ihre Arbeit mechanisiren. Die Bewegung des Herzens, die Athmung waren in ihren Anfängen vom zwecksetzenden Willen bedingt, und gewohnheitsmäßig ausgeführt, können sie auch ohne sein beständiges bewußtes Eingreifen ausgeführt werden. Lust zu schöpfen, Nahrung aufzunehmen, Stoffe auszuscheiden waren ursprünglich Ziele des Willens einfacher Wesen, die sich in einem System von Herz und Lunge, Magen und Drüsen entwickeln konnten, weil das einmal Geübte behalten und Grundlage höherer Ausbildung gemacht wird. Was ich stets betont habe: daß alles Organische in Natur und Geist Selbstbildung ist, daß wir reproduciren, das bekräftigt Wundt und fügt hinzu: unser Wille beherrscht unfern Leib, weil er ihn allmälig sich bereitet und zu seinem Organe ausgebildet hat. Ich stimme vollkommen bei, aber mit dem Zusatz: Wille ist nichts für sich Wirkliches, sondern die Bethätigung eines Realen, das ich in der Organisationskraft finde, die ich auch nicht aus vielen kleinen Willen und Zellen erst zusammenwachsen, sondern als Centralmonade in und mit diesen sich gestalten und leben lasse.
In dieser Weltanschauung vollzieht sich auch die aussteigende Entwicklung der Organismen von den Protisten zum Menschen wesentlich von innen heraus. Die höheren Formen werden nicht von außen mechanisch hervorgezerrt oder zurechtgedrückt, sondern die eigenen Triebe der Lebewesen verwerthen die Bedingungen