406
Deutsche Rundschau.
Mit Dir welkten sie alle, die Frühlingsblüthen der Freude,
Die Dein Lieben allein lieblich im Leben gepflegt.
Seitdem lernt' ich den Ernst und verschloß mein Fühlen und Denken Allem Genuß und all' senem ergetzlichen Spiels.
Und in einem andern Gedicht:
Ach, nie red' ich zu Dir? Nie Deinem Gespräche begegn' ich?
Soll, mein Bruder, hinsort, Herzensgeliebtester, nie
Dir in das Antlitz schaun? Doch endlos will ich Dich lieben,
Endlos Klagegesang Deinem Gedächtnisse weih'n;
Wie in des Schattengestrüuchs Laubwölbungen schmelzende Wehmuth Flötend die Daulierin Jtylus' Ende beseufztch.
Wohl erst einige Jahre später entbrannte der Dichter in heißer Leidenschaft für jene, durch ihn unsterblich gewordene „Lesbia", ein Name, der die Geliebte doch Wohl als Geistesverwandte der großen Lesbierin Sappho, der Lieblingsdichterin Catull's, bezeichnen sollte. Ihr wirklicher Name war Clodia. Wahrscheinlich war sie die Schwester des von Milo ermordeten Volkstribunen Clodius, Gemahlin ihres Vetters, des Konsuls im Jahre 60 v. Chr. Q. Cäcilius Metellus Celer; eine junonische slammenäugige Schönheit von bezaubernder Anmuth, und zugleich eine der zügellosesten Damen der vornehmen Welt des damaligen Rom. Als ihr Mann plötzlich starb, hieß es, sie habe ihn vergiftet; man nannte sie Klhtämnestra und Medea. Die Ausgelassenheit ihres Lebens in einem Kreise junger Männer, in ihrem Hause auf dem Palatin und in dem Luxusbade Bajä, lieferte den Stadtgesprächen überreichen Stoff. Als Catull sie kennen lernte, mag sie etwa vierunddreißig, er sieben- oder vierundzwanzig Jahre alt gewesen sein. Er liebte sie, „wie keine noch geliebt worden"; sie ansehen und anhören zu dürfen machte ihn überselig; was er in ihrer Nähe empfand, glaubte er nur mit den leidenschaftlich stammelnden Worten der Sappho aussprechen zu können:
ja, wenn ein Blick nur Dir begegnet, Lesbia, gleich der Athem Stockt in der Kehle,
Klebt die Zung' am Gaumen, ein flüssig Feuer Unterläuft mein schwankes Gebein, im Ohre Dröhnend braust's wie Donner und Mitternacht stürzt Ueber die Augen Z.
Catull fand Erhörung. Es war eine Zeit überschwenglicher Seligkeit, als er auf die Frage der Geliebten, wie viele ihrer wilden Küsse, bei denen sie ihm die Lippe wund biß, ihm genug sein würden, antwortete:
So viel Sternelein, als in stummer Nachtzeit Auf der Menschen geheime Liebe blicken:
So viel Küsse von Dir zu küssen wäre G'nug und übergenug für meinen Wahnsinn,
Die kein lauschendes Auge zählen möchte,
Noch ein tückischer Zaubermund berufen Z.
0 68 u, 19-26, Z 65, 9—14.
Z 51, 6—12.
Z 7, 7-12.