Heft 
(1892) 70
Seite
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Deutsche Rundschau.

Das fortwährend in Mark und Gebein mit eisigem Schauer Längst aus meinem Gemüth jegliche Freude gebannt.

Ach! nicht bitt' ich ja mehr, daß sie mein Lieben erwid're,

Nicht Unmögliches mehr, keusch und gesitteter sei

Ich nur möchte genesen, die Qual abwerfen des Siechthums;

Nur dies Einzige gebt, Götter, der Treue zum Lohn!^)

Als er endlich überwunden hatte, konnte er doch nicht vergessen. Noch ein Gedicht voll des herbsten Spottes über die Treulose klingt in Wehmuth aus: er vergleicht seine zerstörte Liebe mit einer hart am Wiesenrand blühenden Blume, die von der vorüberstreifenden Pflugschar zerknickt ward^).

Ein oder zwei Jahre brachte Catull in der Provinz Bithynien, im amtlichen Gefolge des Statthalters zu. Er besuchte auf dieser Reise das Grab seines Bruders in Troja, wo er einim Thau reichquellender Thränen" genetztes Todtenopfer brachte,und ein vergebliches Wort sagte dem schweigenden Staub"! In dem Gedicht, mit dem er bei der Heimkehr seinen Landsitz auf der Halbrnsel Sirmio, demJuwel der Inseln und der Halbinseln" (im Gardasee, in der Nähe von Desenzano) begrüßt, drückt der gebrochene Rhythmus die tiefe Ermüdung des nach langen Fahrten zu Lande und zur See endlich Angelangten aus:

O wie es süß thut, alle Sorge los werden!

Wenn sich die Seel' entladet, von des Fremdlebens Mühsal ermattet wir zum eig'nen Herd kommen,

Und dann behaglich im ersehnten Bett ausruh'n lb)

Etwa zwei Jahre nach seiner Rückkehr starb Catull im Alter von dreißig oder dreiunddreißig Jahren. Vielleicht hat er auf seinem letzten Krankenlager folgende Zeilen an einen Freund gerichtet:

Schlecht geht's Deinem Catullus, ja beim Himmel,

Cornificius, schlecht genug und qualvoll,

Und von Stunde zu Stunde wird es ärger.

Und Du, was das Geringste, was so leicht war,

Hast Du je mir ein tröstlich Wort gesprochen?

Geh'! ich zürne Dir; das für meine Liebe?

Rührt doch tiefer ein einzig Freundeswörtlein Als Simonides thrünenfeuchte Lieder 0-

II.

Den frühen Tod des Dichters muß man im Auge behalten, um ihn richtig zu würdigen. Seine poetische Entwicklung war um so weiter von ihrem Abschluß entfernt, da er sich einer Richtung angeschlossen hatte, die im geraden Gegensatz zu der Natur seiner Begabung zu stehen scheint. Daß er nichtsdestoweniger sich die fremdartigen Formen völlig zu eigen zu machen, und sie mit poetischem Inhalt zu erfüllen vermochte, als ob es aus eigenem Bedürfniß geschaffen gewesen wäre, zeigt die ungemeine Ausgiebigkeit seines poetischen Talents. Die jüngere Generation, zu der Catull gehörte, strebte, im Gegensatz zu den älteren römischen Dichtern,

1) 76, 17-26.

2) 11, 2124.

3) 31, 710.

4) 38.