Heft 
(1892) 70
Seite
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Deutsche Rundschau.

lauf der Pandemie von 1889 eingehalten worden, sondern es sind die verschie­densten Richtungen benutzt, wie sie eben der Weltverkehr vorschrieb.

Im Winter 1891 ist die Influenza von Neuem, und zwar ziemlich bös­artig erschienen. Indessen stehen wir noch zu sehr mitten in der Epidemie, als daß wir schon jetzt den Gang derselben genügend genau zu überblicken ver­möchten.

II.

Wir haben wiederholentlich darauf hingewiesen, daß die Influenza dem menschlichen Verkehr folgt. Dieser viel umstrittenen, aber wichtigen Thatsache wollen wir zuvörderst einige Aufmerksamkeit schenken.

Die Influenza hat sich in früheren Epidemien häufig mit erstaunlicher Ge­schwindigkeit über große Strecken ausgebreitet: soll sie doch einmal ganz Europa während eines Frühlings überzogen haben. Aber es steht fest, daß sie niemals schneller gegangen ist, als die entsprechenden Beförderungsmittel für Menschen und Sachen das zur Zeit erlaubten. Wir reisen heutzutage mit einer Geschwindig­keit, die früher unerhört war, und die Influenza geht in weniger als vierzehn Tagen von Berlin nach Newyork! Acht bis zehn Tage dauert die Uebersahrt, zwei bis drei Tage vergehen durch die Jncubation, d. h. durch diejenige Zeit, welche zwischen der Ausnahme des Krankheitsgiftes und dem Ausbruche der Er­krankung liegt. Man sieht, das Exempel stimmt genau. Im Jahre 1833 braucht die Influenza drei Monate, um sich über die größeren Garnisonen Deutschlands zu verbreiten, 1889 gelingt ihr das in wenigen Tagen, und inner­halb fünf Wochen sind auch die kleinsten, entlegensten Garnisonen erreicht. Und was ferner bemerkensWerth ist: fast überall erkrankt das Militär, das ja dem allgemeinen Reiseverkehr entrückt ist, nach der Bürgerschaft. Diese Erschei­nung wird besonders in den französischen Berichten ausdrücklich hervorgehoben. Und in Festungen, welche Außenforts haben, erkranken regelmäßig zunächst die Hauptgarnisonen und dann erst die Besatzungsmannschaften der Forts. Weisen alle diese Umstände auf die Wichtigkeit des Verkehrs für die Ausbreitung der Seuche hin, so sind doch noch eine Reihe von anderen Thatsachen vorhanden. Welche die Bedeutung des Verkehrs zur Evidenz erheben. Unbestritten ist, daß die Seuche zuerst die Haupt- und großen Städte befallen, und daß sie sich von ihnen aus strahlenförmig fortgesetzt hat. Darin zeigt sich doch unzweideutig die Rolle des Verkehrs. Zwar behauptet der Verfasser eines guten Buches über die Influenza, daß gerade die strahlenförmige Ausbreitung das Gegentheil beweise. Denn die Erreger der Seuche, welche angeblich hoch in den Wolken sich befinden und auf die Erde niederfallen sollen, kämeneher" in den großen Städten mit den vielen Menschen zum Gedeihen und erzeugten dort die Krankheit, als auf dem dürftiger besetzten Lande, wo sie vielfach auf unfruchtbaren Boden ge­langten. Aber gesetzt, diese Hypothese wäre richtig, so erklärte sie doch nur, warum in den großen Städten so viele Menschen erkranken, aber nicht die Er­scheinung, daß die großen Verkehrscentren zeitlich früher betroffen werden, als die Umgebung derselben. Bedürfte es aber noch weiterer Beweise für die Wir­kung des Verkehrs, so sei auf die Angaben des Berichtes aus dem preußischen