Die Influenza.
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Kriegsministerium hingewiesen, daß die Krankheit großentheils durch die Ostseehäfen in Deutschland eingeschleppt sein müsse, denn von Kiel, Stettin, Belgrad und Danzig seien die ersten Nachrichten über Massenerkrankungen eingelausen. Der Häfen wird auch bei früheren Epidemien als der Eintrittspforte gedacht. Häufig sind es fremde Schiffe, welche die Seuche bringen. So war es in St. Kilda (Hebriden), in Island, den Gesellschaftsinseln, den Nicobaren und den Schifferinseln. Von den Färöer besitzen wir eine ausgezeichnete Notiz des leider schon der Wissenschaft entrissenen großen dänischen Physiologen Panum. „Es ist merkwürdig", sagt er, „daß der Ausbruch dieser (Jnsluenza)-Epidemien mit dem Eintreffen von Handelsschiffen im Frühjahr in nahem Connex steht. Es kann dies Wohl nicht als bloßer Zufall angesehen werden, da die Ankunft des ersten Handelsschiffes zu verschiedener Zeit, bald im März, bald im April, zuweilen erst im Mai erfolgt, zudem nach den Beobachtungen des Amtmanns Plöhem innerhalb der siebzehn Jahre, welche derselbe auf der Insel zugebracht hat, die Epidemie jedesmal zwei bis drei Tage nach dem Eintreffen des Schiffes ausbricht, die ersten Erkrankungsfälle die Handelsverwalter und das Dienstpersonal derselben betreffen, die Seuche sich alsdann über ganz Thorshaven verbreitete und von da aus über die Insel sortschritt."
Und was hier die Schiffe bewirken, wird anderswo durch den Landverkehr hervorgebracht. Sehr sprechende Belege dafür bieten die Erkrankungen der Winterwächter auf einsamen schweizer Höhenstationen. So war z. B., wie Seitz erzählt, seit Anfang December kein Mensch mehr auf die Grimsel gekommen. Der eine Winterwächter des Hospizes (1875 Meter hoch, 4?/2 Stunden über Thal) ging Samstag, den 21. December, zu seinem Meister in Guttannen. Dieser lag gerade an der Influenza krank. Er hatte sich in Bern inficirt, war zu Hause krank geworden, der erste Patient im Orte. Auf den Berg zurück- aekehrt, erkrankte der Wächter und steckte dann noch seinen Genossen an. Eine zwei- bis dreitägige Jncubationszeit ist für die beiden ersteren auszurechnen. Aehnliche Verhältnisse sind von der Riffelalp und vom Rigi bekannt. Auf dem Säntis (2504 Meter hoch, sechs Stunden über Thal) blieb Alles gesund, weil Während der ganzen Epidemie Niemand ins Thal hinabging, Niemand hinauf stieg. Vom Gotthardhospiz ging am Sonntag, den 5. Januar (die Sonntage spielen überhaupt bei der Jnfluenzaeinschleppung in die schweizer Höhen eine leicht erklärliche Rolle) einer der beiden Winterwärter nach Airolo, wo jedes Haus durchseucht war. Am 6. Januar ging er in seine Einsamkeit zurück, zog seine Sonntagssachm aus und hing sie neben denen des anderen Wärters aus. Er blieb gesund, aber am 15. Januar erkrankte der obengebliebene Wärter an typischer Influenza. Wahrscheinlich hat der letztere am Sonntag, den 12. Januar, seine Kleider gewechselt, sich dabei inficirt und ist nach weiteren drei Tagen Jncubation erkrankt. Es würden dann die Keime von den Sachen des in Airolo gewesenen Wärters aus die des obengebliebenen im Verlauf der Woche übertragen sein. Es liegt hier also mit großer Wahrscheinlichkeit eine Übertragung durch gesunde Dritte vor, wie sie bei anderen Jnfectionskrankheiten schon oft beobachtet ist. Das Beispiel vom Gotthardhospiz zeigt sehr deutlich, was man von den vereinzelten Angaben zu halten hat, daß Schiffe, welche drei, ja sogar
Deutsche Rundschau. XVIII, 6. 27