Heft 
(1892) 70
Seite
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Deutsche Rundschau.

bedrückt, ihr Denken und Wollen gebrochen; es überfällt sie eine große Angst, die häufig erst in der eintretenden Benommenheit und Schlafsucht untergeht. Geschmack, Geruch und Gehör sind abgestumpft; manchmal besteht geradezu eine Taubheit, welche in grellem Gegensatz zu der Gehörsüberempfindlichkeit steht, die man bei Kranken mit Hirnhautentzündung peinlich empfindet. Gerade der letztere Umstand gibt für den Kundigen von vornherein eine klare Unterscheidung gegen das sonst nicht unähnliche Bild, welches die Entzündung der Hirnhäute Hervor­rust. Alle diese Symptome sind nicht vom Fieber abhängig. Denn in Fällen, Wo gar kein Fieber besteht und diese sind nicht so selten zeigen sie sich in gleicher Stärke. Oesters kommt die gestörte Gehirnthätigkeit sogar in ungemein heftigen Delirien zum Ausdruck, welche Nachts einsetzen, um am Tage wieder zu verschwinden. Fast immer werden die Kranken durch einen äußerst unangenehmen Schwindel geplagt, und daneben erscheinen starke Schmerzen im ganzen Körper; ein wahres Gliederbrechen, wie man es bezeichnend genannt hat. Aber gewisse Körperregionen sind doch für Jnsluenzaschmerzen geradezu typisch. So sitzt con- stant ein Schmerz zwischen den Schulterblättern oder im Kreuz, ferner im unteren Theil des Brustbeins und häufig auch in der Nierengegend. Daneben werden die Zwischenrippenräume schmerzhaft; häufig treten auch wirkliche Herzschmerzen und Herzbeklemmungen ein.^nxistas eirea xraseorclia, urget." Dabei ist der Puls stark beschleunigt, und die einzelnen Schläge folgen unregelmäßig aufein­ander. Schweiß begleitet den ganzen Ansall und nicht selten auch die sehr schleppende Reconvalescenz.

Bei anderen Kranken treten nicht so sehr die nervösen Symptome hervor, als vielmehr diejenigen des Athmungsapparates. Ein krampfhaftes Niesen, ein ebenso krampfhaftes Husten, das Gefühl von Lustmangel und ein Bronchial­katarrh, dessen Geringfügigkeit in einem auffallenden Mißverhältniß zu den eben­genannten starken Beschwerden steht: das sind die Haupterscheinungen der In- üusnÄ rospiratoria. Bei Kindern ist diese Form selten. Meistens tritt hier die erstgenannte nervöse, oder die gastrische Form auf, welche wir sogleich kennen lernen wollen.

Hier finden wir neben Kopfschmerz, Mattigkeit, Verstopftsein der Nase, leichtem Husten meist einen Fiebersrost; die Temperatur steigt bis zu 40" 0. an, und fällt nach Stunden oder seltener Tagen langsam ab. Es besteht ein unüberwindlicher Widerwille gegen Speisen, häufig Uebelkeit, ja sogar Erbrechen. Die Zunge ist belegt, die Thätigkeit des Magens und des Darms liegt darnieder. Wenn die Reconvalescenz beginnt, dann bleibt große Mattigkeit zurück: Neigung zu Schwindel und Ohnmächten besteht; quälendes Herzklopfen, Niedergeschlagen­heit, fehlender Schlaf, wüste ängstliche Träume lassen das Gefühl der Gesundung nicht eigentlich auskommen, und eine langdauernde Appetitlosigkeit und Magen­schwäche tragen dazu bei, die Constitution des Kranken noch mehr zu untergraben, als es der Anfall selbst gethan hatte.

Das sind in den wesentlichen Umrissen gezeichnet die Krankheitsbilder, welche dieuncomplicirte Influenza darbietet. Natürlich gibt es leichtere und schwerere Erkrankungen und innerhalb derselben so viele Schattirungen, daß dem Beobachter ein sehr mannigfaltiges und farbenreiches Bild vor die Augen tritt.