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Deutsche Rundschau.
Dramen zur Aufführung ausbitten, nicht von der Schwelle weist, sondern sie mit jugendlichem Feuereifer zu fördern und zu unterstützen strebt.
Welche Rolle in seinem Leben Theater und Drama gespielt haben, das tritt uns aber nirgends so lebendig entgegen wie in der etwa anderthalb Jahre vor seinem Tode geschriebenen Monatsunterredung der
„Aller Edelsten Belustigung Aunst- und Tugendliebender Gemühter, vermittelst eines anmuhtigen und erbaulichen Gespräches, welches ist dieser Art die vierte und zwar eine Aprilensunterredung. Beschrieben und für- gestellet von Dem Rüstigen. Hamburg ^666."
In diesem Büchlein, das gleich den übrigen Schriften Rist's ein InsiZne Lxeeimsu vanitatis ist, wird bei der Erörterung der Frage, welche die edelste Belustigung sei, auch die Schauspielkunst unter diesem Gesichtswinkel betrachtet, und der Verfasser nimmt dabei Gelegenheit, allerlei interessante Erinnerungen aus seinen Jünglingsjahren auszukramen. Hier begegnen wir z. B. dem ausführlichen Bericht über eine Ausführung des Peter Squentz durch englische Comödianten, der für die Geschichte dieses Rüpelspiels, wie für die Spielweise der Engländer höchst werthvolle Aufschlüsse gewährt.
Hier stoßen wir auch aus den Bericht über eine Hamlet-Aufführung, der allerdings, in Folge eines dem Erzähler dabei untergelausenen merkwürdigen Gedächtnißfehlers, der deutschen Shakespeareforschung bis auf den heutigen Tag entgangen ist.
Rist berichtet nämlich nicht von einem Drama Hamlet, sondern „von einem Könige, der seinen Sohn, den Printzen mit des Königs von Schottland Tochter wollte verheirathen".
Bei diesem Titel kann freilich Niemand an Hamlet denken, um so weniger, da die englischen Comödianten tatsächlich ein Drama dieses Titels im Repertoire hatten, das gedruckt vorliegt, und das inhaltlich auch nicht die geringste Verwandtschaft mit Hamlet zeigt. Dagegen lassen die charakteristischen Züge, die Rist aus dieser Aufführung im Gedächtniß geblieben sind, keinen Zweifel darüber zu, daß es sich wirklich um eine Hamlet-Aufführung handelt. Die Verwechslung des Titels aber erklärt sich Wohl daraus, daß Rist aus fast vierzigjähriger Erinnerung berichtet. Als er der Vorstellung beiwohnte, war er ein neunzehnjähriger Student, als er von ihr erzählte, ein Mann an der Schwelle der Sechzig.
Was ihm die Erinnerung wochrust, ist die im Lauf des Gespräches sich ergebende Erörterung der Frage, „ob es zulässig sei, in den Freuden- und Trauerspielen andere durch die Hechel zu ziehen"; da hebt Rist anH:
„Sonsten haben die Komosdianten, als etlichermahssen Lat^riei, mit Stichel-Reden grosse Macht, lasterhafften Personen tapffer auf die Haube zu greiffen, und deroselben Untugenden gleich- sahm lachend zu straffen, man muß aber auch hierin Mahsse zu halten wissen. Gleich itzt erinnere ich mich einer Komcvdien, welche ich in meiner Jugend von den Engelländern habe gesehen spielen in einer grossen Volkreichen Statt, die ich nicht nennen will. Es hatte eben dazumahl ein grosser und hertzhaffter Potentat, mit welchem die Statt nicht gahr zu wol stund, eine stattliche Krieges-Macht aufs die Beine gebracht, welche ihr Lager nahe bey der Statt hatte, nicht
i) a. a. O., S. 148—155.